Agonie der Demokratie und Gesellschaft in Essen

AgonieAgonie – Traurige Realität in Essen

Agonie ist sicherlich ein hochtrabendes und für viele unserer Leser ein nicht allzu gebräuchliches Wort. Deshalb wird angeraten, zur Erklärung erst einmal dem vorherigen Link zu folgen. Nach dessen Lesen dürfte unseren Lesern klar werden, warum wir dieses Wort bewußt für die in Essen herrschenden Zustände rund um das SGB II (Hartz 4) und dessen Handhabung durch das JobCenter, der Stadt Essen (bestehend aus der Verwaltung und den Politikern) und der öffentlichen Verfolgung der SGB II-Leistungsberechtigten als nationale Minderheit durch die in Essen etablierte Medienlandschaft gewählt haben.

Denn ein Paradebeispiel dafür hat am 17.02.15 mal wieder die WAZ im Gleichschritt mit der Stadt Essen geliefert.

Agonie – Die WAZ marschiert in guter deutscher Tradition voran

Leider müssen wir zur Einleitung und zum besseren Verständnis der in Essen herrschenden Agonie zuerst einmal den Artikel der WAZ zitieren:

Essen – Die Zahl der Haushalte, die von Sozialleistung leben, nimmt in Essen weiter zu. Für die Stadt bedeutet das höhere Zuschüsse für Miete und Heizung.

Die Zahl der Hartz-IV-Haushalte in Essen nimmt weiter zu. Das bedeutet für die Stadt steigende Ausgaben für Unterkunft und Heizung. Wie aus dem Bericht des Jobcenters an den Rat der Stadt hervorgeht, gab es im vorigen Jahr im Durchschnitt 44.900 Bedarfsgemeinschaften – also Haushalte in Essen, die von der Sozialleistung leben. Das sind knapp 800 oder 1,8 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Insgesamt bezogen im vergangenen Jahr somit 85.221 Essener Hartz IV. Im Jahr zuvor waren es noch 83.944 Bedürftige gewesen.

Die wachsende Zahl der Bedarfsgemeinschaften hat nach Angaben des Jobcenters vor allem zwei Ursachen: Zum einen gibt es immer mehr so genannte Ergänzer – Menschen, die ihren kargen Lohn mit Hartz IV aufbessern müssen. In Essen betraf das im vergangenen Jahr 14.620 Personen. Damit ist deren Zahl in den vergangenen fünf Jahren um 2680 bzw. um 22,5 Prozent gestiegen.

Zum anderen macht das Jobcenter den so genannten Drehtür-Effekt verantwortlich. Das heißt: Rund 38 Prozent der vermittelten arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger stehen innerhalb eines Jahres wieder ohne Job da. Damit haben sie zu kurz gearbeitet, um aus dem Hartz-IV-Kreislauf herauszukommen. Zum anderen ist auch die Zahl derjenigen weiter gewachsen, die in den vergangenen 24 Monaten mindestens 21 Monate lang auf Hartz IV angewiesen waren. Fast 61.900 Langzeitleistungsempfänger sind zuletzt beim Jobcenter registriert gewesen. Das sind 1,6 Prozent mehr als im Vorjahr.

Besonders für diese Zielgruppe hat die Stadt Ende 2014 das Programm „Neue Impulse U50“ gestartet. Das Programm soll unter 50-Jährigen, die seit mindestens zwei Jahren ohne Arbeit sind, Unterstützung und allgemeine Lebenshilfe geben. Das beginnt beim Aufbau einer Tagesstruktur bis hin zur Gesundheitsvorsorge.

Die steigende Zahl der Hartz-IV-Haushalte bedeutet für Essen eine höhere Belastung für den städtischen Haushalt. Die Stadt musste 2014 fast 148 Millionen Euro an Zuschüssen für Miete und Heizung bezahlen. Das waren über 13 Millionen Euro mehr als im Jahr 2013. Allerdings sank auch der Anteil des Bundes an der Kostenerstattung.

Bezeichnenderweise folgen Stadt Essen und WAZ ihrer üblichen, die Leistungsberechtigten diskriminierenden Methode der verdrehten Schuldzuweisung. Der ganze Tenor des Artikels soll mit seiner unterschwellig bewußt subversiven und hetzerischen Wortwahl erneut in der breiten Essener Bevölkerung den Eindruck erwecken, die Stadt Essen sei das eigentliche Opfer der Masse der SGB II-Leistungsberechtigten, die ihr Schicksal ausschließlich in Eigenverantwortung selbst herbeigeführt haben.

Deshalb haben wir sehr bewußt das Wort Agonie für diese Zustände gewählt, denn mit etwas anderem lassen sich diese einfach nicht mehr umschreiben. Alleine die Tatsache, dass die Verfasserin des Artikel, Frau Lindgens, schreibt „….. 83.944 Bedürftige“ bringt die Agonie schon zum Vorschein. Im Zusammenhang mit SGB II-Leistungsberechtigten von Bedürftigen zu „reden“ ist vorsätzlich gewollte Stigmatisierung und zeigt die innere Haltung von Frau Lindgens auf. Kleiner Tipp am Rande, Frau Lindgens: Selbst der Gesetzgeber hat das schon vor längerer Zeit erkannt und die Begrifflichkeiten im SGB II entsprechend geändert.

Weiter schreibt Frau Lindgens: „sogenannte Ergänzer“. Dieses Wort ist selbst im juristischen und gerichtlichen Sprachgebrauch und sogar in der Politik tabu, hier wird von „Aufstockern“ gesprochen. Dass Frau Lindgens das durchaus abwertende Wort „Ergänzer“ anstelle des positiven Begriffes „Aufstocker“ verwendet, kennzeichnet nur wieder einmal mehr ihre hinlänglich bekannte Abneigung gegenüber SGB II-Leistungsberechtigten. Selbiges gilt für die massenhafte Verwendung des Wortes „Hartz IV-Empfänger“. Es gibt im korrekten, nicht abwertenden Sprachgebrauch keine „Hartz IV-Empfänger“ sondern nur „SGB II-Leistungsberechtigte“. Auch die Ausdrucksweise „von (der) Sozialleistung(en) leben“ ist eine durchaus absichtlich gewählte Formulierung. Sie bringt etwas bedeutend Negativeres zum Ausdruck als z.B. die Formulierung „auf soziale Transferleistungen angewiesen zu sein“. Aber was will man von so einer Frau erwarten, die meint, ihre eigene Sicht der Dinge unterschwellig in die Öffentlichkeit transportieren zu müssen?

Seriöser Journalismus sieht anders aus! Hoffentlich sind sie eines Tages selber von dieser Agonie betroffen, werte Frau Lindgens!

Agonie im Detail – Anzahl der Haushalte

Wir wollen uns nun im Detail mit den einzelnen Aussagen in dem Artikel beschäftigen, damit dem geneigten Leser die Agonie verdeutlicht wird, die mit den jeweils dazugehörigen angeblichen Tatsachen verbunden ist.

An der hohen Zahl der „Hartz4-Haushalte“ ist die Stadt Essen selber schuld, denn sie ist erst seit 2012 überproportional gestiegen. Also ab dem Zeitpunkt, seit dem die Stadt Essen das JobCenter in Eigenregie als sog. Optionskommune betreibt. Somit wird die geballte Inkompetenz der Entscheidungsträger der Stadt Essen offensichtlich, denn die wirtschaftliche Entwicklung und die allgemeine Beschäftigungssituation waren in diesem Zeitraum gegenläufig.

Im Jahr 2010 gab es in Essen rund 40.000 „Hartz4-Haushalte“,  2011 waren es rund 41.600 Haushalte, im Jahr 2012 dann 43.000 Haushalte, 2013 dann knapp 44.000, die Zahl von knapp 45.000 für 2014 steht in dem oben zitierten Artikel. Ausgewertet bedeutet diese Zahlenaufstellung, dass sich in drei Jahren Optionskommune die Zahl der Haushalte um fast 3.500 erhöht hat. Herzlichen Glückwunsch an die Herren Paß, Renzel und Gutschmidt für ihre hervorragende Arbeit im Sinne der staatlich gewollten weiteren Unterdrückung der deutschen Untertanen.

Agonie im Detail – Gesamtaufwendungen

Das die Aufwendungen für die Unterkunft gestiegen sind, liegt sicherlich mit an der gestiegenen Zahl der Leistungsberechtigten. Was aber in diesem Artikel und auch im Allgemeinen von der WAZ und der Stadt Essen geflissentlich verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass das LSG NRW der Stadt Essen ihr sog. Schlüssiges Konzept regelrecht um die Ohren gehauen hat. Das hat dazu geführt, dass die Stadt Essen die anzuerkennenden Unterkunftskosten anheben musste. Interessant ist die Feststellung des LSG in diesem Verfahren, dass die anerkannten nettokalten Quadratmeterkosten an der Grenze zur Rechtswidrigkeit liegen. Das nun die WAZ der Öffentlichkeit vorjammert, die Stadt Essen ächze unter der hohen Last der Aufwendungen ist schlichtweg eine Frechheit. Denn heuer hat die Stadt Essen einfach nur ihr jahrelanges rechtswidriges Verhalten bei der Deckelung der Kosten der Unterkunft eingeholt. Dass das nicht öffentlich zugegeben wird, bringt uns zu dem Begriff Agonie.

Besonders deutlich wird diese Agonie aber bei der Aussage, dass die Bundesbeteilung an den KdU-Kosten gesunken ist. Das ist eine glatte Lüge. Denn der Anteil des Bundes ist seit Jahren konstant bei 27,6% geblieben. Hierzu verweisen wir auf unseren Artikel „Stadt Essen – Wer hat Angst vorm bösen Wolf?“ Richtig ist, dass der Bund seinen Zuschuss für BuT-Mittel deutlich gekürzt hat, aber hierfür trägt die Stadt Essen selber eine Mitverantwortung. Hierzu hatten wir im Jahr 2013 ausführlich berichtet.

Da wir diesen Artikel nicht zu einem literarischen Erguß machen wollen, erfolgt die weitere Kommentierung in einem zweiten Artikel.

„Es gibt kein Verbrechen, keinen Kniff, keinen Trick, keinen Schwindel, kein Laster, das nicht von Geheimhaltung lebt. Bringt diese Heimlichkeiten ans Tageslicht, beschreibt sie, macht sie vor aller Augen lächerlich. Und früher oder später wird die öffentliche Meinung sie hinwegfegen. Bekannt machen allein genügt vielleicht nicht – aber es ist das einzige Mittel, ohne das alle anderen versagen.“

Joseph Pulitzer

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Eine Antwort zu Agonie der Demokratie und Gesellschaft in Essen

  1. @Der Arge-Schreck sagt:

    Gibt es von Amts wegen das Amtsblatt, so folgt ihm in bestechlicher Manier der private Verlautbarungsjournalismus.

    Nachrichten sind, n a c h denen wir uns gefälligst zu
    r i c h t e n haben.