Die Stadt Essen – Das arme Rotkäppchen der Nation
Aus gegebenen Anlass wollen wir uns wieder einmal der Personalpolitik der ach so armen Stadt Essen in ihrem Stadtamt 56, dem JobCenter Essen widmen.
Man könnte glauben, unser allseits so heiß geliebter Sozialdezernent der Stadt Essen Herr Renzel befindet sich im Schlaraffenland. Denn es ist gar nicht so lange her, dass er jedem, der es nicht hören wollte, verkündet hat, dass das Stadtamt 56 eine gute personelle Ausstattung hat. Und nun kommt eben der Leiter dieser „Behörde“, Herr Gutschmidt, daher und proklamiert in der NRZ in aller Öffentlichkeit, dass diese „Behörde“ personelle Engpässe hat, die dazu führen, dass sog. Erstanträge nicht bearbeitet werden können. Abenteuerlich ist seine vorgeschobene Ausrede, dass es etwas damit zu tun hätte, dass sich zum 01. Januar die Eckregelsätze erhöhen würden.
Zur Erinnerung, es gibt da ein System, dass sich EDV, also elektronische Datenverarbeitung nennt, mit dem man nahezu vollkommen automatisiert neue Leistungsbescheide erstellen kann. Zwar ist tatsächlich davon auszugehen, dass es zu einem etwas höherem Verwaltungsaufwand bei der Stadt Essen durch die Regelsatzerhöhung kommen wird. Aber so etwas dürfte eigentlich nicht eine „Behörde“ wie das JobCenter quasi lahmlegen.
Und jetzt gelangt ausgerechnet ein Fall in die Öffentlichkeit, bei dem eine Juristin von den allseits bekannten Praktiken der Stadt Essen bei der Antragsannahme im JobCenter am Berliner Platz betroffenen ist. Nunmehr plötzlich sind alle Verantwortlichen bei der Stadt Essen das arme Rotkäppchen der Nation und waschen ihre Hände in Unschuld.
Anscheinend begreift die Öffentlichkeit in Essen nicht, dass es sich dabei um eine gezielte und gewollte Abwehr von Leistungsansprüchen seitens der Stadt Essen handelt. Denn man baut anscheinend darauf, dass sich mögliche Leistungsberechtigte durch das Prozedere abschrecken lassen und keinen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II beantragen.
Stadt Essen – Die Wahrheit wird gezielt verschwiegen
Was im Rahmen dieser Affäre von allen Entscheidungsträgern der Stadt Essen im Bereich des JobCenters verschwiegen wird, ist die Tatsache, dass es bald erhöhte Zuschüsse des Bundes bei den Kosten der Unterkunft geben wird. Denn die Bundesregierung plant eine Erhöhung der Beteiligung des Bundes an diesen Kosten. Und da die Stadt Essen eine Optionskommune ist, stehen ihr somit diese künftig erhöhten Bundesmittel vollumfänglich zu.
Zitat aus Bundesfinanzministerium – Gesetzentwurf der Bundesregierung (Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Entlastung von Ländern und Kommunen ab 2015 und zum quantitativen und qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung):
Artikel 2
Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch
§ 46 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. Mai 2011 (BGBl. I S. 850, 2094), das zuletzt durch Artikel… des Gesetzes vom… (BGBl. I S. …) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Absatz 5 wird wie folgt gefasst:
„(5) Der Bund beteiligt sich zweckgebunden an den Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Absatz 1. Diese Beteiligung beträgt in den Jahren 2011 bis 2013 im Land Baden-Württemberg 34,4 Prozent, im Land Rheinland-Pfalz 40,4 Prozent und in den übrigen Ländern 30,4 Prozent der Leistungen nach Satz 1. Im Jahr 2014 sowie ab dem Jahr 2018 beträgt diese Beteiligung im Land Baden-Württemberg 31,6 Prozent, im Land Rheinland-Pfalz 37,6 Prozent und in den übrigen Ländern 27,6 Prozent der Leistungen nach Satz 1. In den Jahren 2015 bis 2017 erhöht der Bund seine Beteiligung an den Leistungen nach Satz 1 um 3,7 Prozentpunkte auf 35,3 Prozent im Land Baden-Württemberg, auf 41,3 Prozent im Land Rheinland-Pfalz und auf 31,3 Prozent in den übrigen Ländern.“
2. In Absatz 6 Satz 1 wird die Angabe „2 und 3“ durch die Angabe „2 bis 4“ ersetzt.
Nach diesem Gesetzentwurf bekäme die Stadt Essen dann ab 2015 31,3% der KdU-Aufwendungen zurückerstattet anstelle der bisherigen 27,6%, mithin somit eine zweckgebundene Mehreinnahme von 3,7% für das JobCenter. Zweckgebunden bedeutet in diesem Fall, dass die Stadt Essen; explizit der Kämmerer Herr Renzel; diese erhöhte Einnahme dem JobCenter zukommen lassen muss.
Aktuelle Zahlen dazu sind leider nicht verfügbar, jedoch existiert eine Statistik der BA, nach der die Stadt Essen im September 2013 Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft in Höhe von 18.390.537 € hatte. Geht man davon aus, dass die Situation für 2014 zumindest ähnlich monatlich linear war, kann man leicht die Mehreinnahmen errechnen, die nun 2015 anfallen werden. Knapp 8,4 Mio. € mehr dürften es in der Realität sein.
Stadt Essen – Die bittere Wahrheit
Was durch die Riege der Verantwortlichen für das Stadtamt 56 gerne unterschlagen wird, ist die Tatsache, dass der Bund gem. § 46 Abs. 3 Satz 1 SGB II 84,8% der Gesamtverwaltungskosten für die Aufgabenwahrnehmung des JobCenters Essen übernimmt. Und zu diesen Kosten zählen auch die Personalkosten.
Rechnet man das zusammen, muss man sich fragen, wie es zu einer personellen Unterdeckung beim JobCenter der Stadt Essen kommen kann. Vermutlich wird zulasten der Essener SGB II-Leistungsberechtigten das JobCenter quasi kaputtgespart, um andere Finanzlöcher im allgemeinen Haushalt zu stopfen. Denn leider ist die Finanzierung aus Bundesmitteln nach § 46 Abs. 3 Satz 1 nicht zweckgebunden, d.h. die Stadt Essen muss über deren Verwendung keinerlei Rechenschaft ablegen.
„Die Frage lautet nicht, ob wir genügend qualifizierte Leute dafür haben. Die Frage lautet, ob sie genügend Glaubwürdigkeit genießen.“
Berthold Leibinger (*1930), VDMA-Präsident