Leiharbeit – Die Wahrheit ist schändlich
Anlässlich einer nunmehr bekannt gewordenen Anfrage der Partei der Grünen an das Bundesarbeitsministerium zum Thema Langzeitarbeitslosigkeit und Leiharbeit wollen wir auch dieses Thema wieder einmal aufgreifen. Denn etliche unserer Leser sind von ihr betroffen und müssen aufstockende Leistungen nach dem SGB II in Anspruch nehmen. Ein Zustand, den es in einer angeblich so reichen Industrienation wie Deutschland eigentlich nicht geben dürfte.
Leiharbeit – Die ernüchternde Erkenntnis
Wie schon im Einführungsabsatz angekündigt, hat die die Bundestagsfraktion der Partei Die Grünen eine Anfrage beim Bundesarbeitsministerium gestellt, deren Antwort einerseits brisante, anderseits erschreckende Zahlen enthält. Laut dieser Antwort wird jeder dritte Arbeitslose in Leiharbeit vermittelt. Von diesen „Vermittelten“ stehen aber über die Hälfte nach einem Jahr bereits wieder auf der Straße. Das braucht man nicht weiter zu kommentieren. Dafür hier aber die Kurzmeldung der fuldainfo dazu:
Berlin. Mehr als 30 Prozent aller Arbeitslosen, die von Arbeitsagenturen und Jobcentern vermittelt werden, landen in der Zeitarbeit. Viele von ihnen stehen nach einem halben Jahr wieder auf der Straße, ergab eine Anfrage der Grünen an das Arbeitsministerium. Von den vermittelten Hartz-IV-Empfängern sind nach sechs Monaten 40 Prozent, nach einem Jahr sogar 54 Prozent wieder arbeitslos. “Leiharbeit ist keine Brücke in dauerhafte Beschäftigung, sondern eine Drehtür zurück in die Arbeitslosigkeit”, sagte die Arbeitsmarktpolitikerin Brigitte Pothmer (Grüne) der “Welt”.
“Wenn über 30 Prozent der Arbeitslosen in einen Wirtschaftszweig vermittelt werden, in dem lediglich 2,5 Prozent der abhängig Beschäftigten arbeiten, dann zeugt das von einem eklatanten Missverhältnis.” Der Übergang in eine reguläre und dauerhafte Beschäftigung gelinge viel zu selten. Zudem seien Niedriglöhne in der Branche weit verbreitet. “Von einer echten Trendwende bei der Arbeitsvermittlung kann keine Rede sein”, moniert Pothmer.
Zwar sei der Anteil der Vermittlungen in Leiharbeit leicht auf 31 Prozent gesunken, stagniere jedoch seit 2013 auf hohem Niveau. 2010 lag dieser Anteil nach Zahlen des Ministeriums noch bei 36 Prozent, 2011 bei 37 Prozent. “Mit einer nachhaltigen Arbeitsintegration hat der hohe Vermittlungsanteil in Leiharbeit nichts zu tun”, kritisiert Pothmer. Die Bundesagentur habe ihr selbstgestecktes Ziel noch lange nicht erreicht. Alarmierend sei, dass der Anteil der in Leiharbeit Vermittelten, die nach einem Jahr noch in einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung sind, um fast zehn Prozentpunkte gesunken ist. Die Nachhaltigkeitsbilanz habe sich also sogar noch verschlechtert. +++ fuldainfo
Leiharbeit – Die ausbeuterische Sicht der Arbeitgeber
Besonders perfide sind in diesem Zusammenhang die Vorstellungen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) in einem aktuellen Artikel der Zeitschrift Die Welt. Naturgemäß „warnt“ sie einer weiteren Einschränkung der Überlassungsmöglichkeiten und -dauer im Bereich der Leiharbeit:
Mit Blick auf die Langzeitarbeitslosen warnt die BDA davor, flexible Beschäftigungsformen wie die Zeitarbeit oder befristete Arbeitsverhältnisse strenger zu regulieren. Gerade schwer Vermittelbaren erleichterten solche Jobs oft die Rückkehr in den Arbeitsmarkt. „Diese Beschäftigungschancen sind durch die im Koalitionsvertrag angekündigten Vorhaben gefährdet“, mahnen die Arbeitgeber.
Insbesondere die geplanten Re-Regulierungen in der Zeitarbeit im Bereich der Entlohnung und der Höchstüberlassungsdauer erschwerten unnötig den Einsatz von Zeitarbeit und würden die Schwächsten am Arbeitsmarkt treffen. Auch der ab kommenden Jahr geltende Mindestlohn von 8,50 Euro gefährdet nach Einschätzung der Arbeitgeber trotz der vorgesehenen befristeten Ausnahmeregelung für Langzeitarbeitslose deren Beschäftigungschancen.
Dabei werden es die Arbeitgeber sein, die es besonders gezielt darauf anlegen werden, die Sonderregelungen für Langzeitarbeitslose im Bereich des gesetzlichen Mindestlohnes weidlich auszunutzen. Unter dem Strich kann man unter Bezugnahme auf die Geschichte zynisch fragen, ob der Arbeitgeberverband nicht gleich wieder die Leibeigenschaft in Deutschland einführen möchte.
Bei aller Gewinnorientierung hat jeder in Deutschland unternehmerisch Tätige auch eine gesteigerte, besondere soziale und gesellschaftliche Verantwortung. Dieser wird sich leider nur allzu gerne entzogen.
Leiharbeit – Fakten und Zahlen für die Stadt Essen
Die Freie Wohlfahrtspflege veröffentlicht hierzu regelmäßig ihren Arbeitsmarktreport NRW. Für einen ersten, zusammenfassenden Überblick können interessierte Leser den vorherigen Link öffnen, für detaillierte Informationen wollen sie bitte diesem Link folgen.
Demnach betrug die Anzahl der sog. atypisches Beschäftigten Menschen; also Arbeitnehmer in prekären Beschäftigungsverhältnissen (Leiharbeit, Teilzeit, Mini-Job, Midi-Job); im Jahr 2013 in Essen 44.000, das sind immerhin 21% der insgesamt in Essen wohnenden Erwerbstätigen.
Besonders kennzeichnend für die verfehlte Arbeitsmarktpolitik der Stadt Essen und die mehr als misslungene Tätigkeit des Stadtamtes 56 (JobCenter Essen) ist die Zahl der Aufstocker in Essen aus dem April diesen Jahres, die die Statistik der Freien Wohlfahrtspflege NRW korrekterweise als erwerbstätige Leistungsberechtigte bezeichnet. Es waren 14.392. Das ist eine Zahl, die den Herren Paß (OB der Stadt Essen), Renzel (Sozialdezernent) und Gutschmidt (Leiter des Stadtamtes 56) eigentlich die Schamröte ins Gesicht treiben müsste.
Der absolute Überhammer ist aber eine andere Zahl aus der Statistik. Hierzu ermittelt die Freie Wohlfahrtspflege NRW die sog. SGB II-Hilfequote [Die SGB II-Hilfequote errechnet sich aus dem Bestand an Personen in Bedarfsgemeinschaften (erwerbsfähige Leistungsberechtigte und nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte) bezogen auf die Wohnbevölkerung zum 31.12. unter 65 Jahren. Sie gibt Aufschluss über den Anteil der Empfänger von Leistungen aus der Grundsicherung („Hartz IV“) an der Bevölkerung.]
Diese Quote betrug hochgerechnet im November 2014 19%.
Das ist unfassbar und zeigt, dass die eben angeführten Herren schlichtweg überbezahlt sind. Denn für das Entgelt, dass sie für ihre sog. Tätigkeit erhalten, darf man deutlich mehr Arbeitseinsatz und -leistung erwarten. Aber es war ja schon immer in Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes so, dass Beamte nicht versetzt, sondern umgebettet werden.
Unter den Scheinheiligen ist einer des anderen Teufel.
Volksweisheit unbekannten Ursprungs