Übernahme von Umzugskosten nach Räumungsklage

Die Frage, ob das JobCenter die Umzugskosten als Bedarf anzuerkennen hat, kann in unterschiedlichen Varianten auftreten

Eine Variante ist die der Kündigung durch den Vermieter wegen Eigenbedarf. Nach § 573 Absatz 2 Nr. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches darf der Vermieter die Wohnung ordentlich kündigen, wenn er die Räume für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige des Haushaltes benötigt; räumen Sie die Wohnung nicht, kommt es zu einem Gerichtsverfahren und das Gericht verpflichtet Sie dann, wenn es die Voraussetzungen für erfüllt hält, die Wohnung zu räumen. So weit, so gut; oder so schlecht. Gestritten wird jetzt in der Regel mit dem JobCenter, ob und wenn ja, in welcher Höhe die Kosten des Umzuges und der Wohnungsbeschaffung als Bedarf anerkannt werden.

Ob Wohnungsbeschaffungskosten und Umzugskosten der neuen Wohnung vom örtlich zuständigen JobCenter als Bedarf anerkannt werden richtet sich nach § 22 Absatz 6 Satz 1 des SGB II, wonach das JobCenter diese Kosten als Bedarf anerkennen kann. Das hört sich zunächst einmal so an, als stehe das im Belieben des JobCenters. Satz 2 bestimmt dann allerdings, dass die Zusicherung erteilt werden soll.

Kann, soll – warum steht denn da nicht „muss“? Der Gesetzgeber wollte, dass bei der Entscheidung das Ermessen (kann und soll) der Behörde eine Rolle spielt und diese nicht um jeden Preis an die Rechtsfolge der Kostenübernahme gebunden ist (muss). Heißt es in einer gesetzlichen Norm „kann“, dann hat die Behörde ein Ermessen, welches sie „pflichtgemäß“ auszuüben hat. Bei den „Soll“-Vorschriften handelt es sich zwar auch um eine Ermessensentscheidung, allerdings soll die Behörde nur ausnahmsweise anders entscheiden. Die Behörde darf nur dann von der im Gesetz stehenden Rechtsfolge abweichen, wenn ein atypischer Fall vorliegt, der von der Behörde entsprechend begründet werden müsste. Liegt sogar ein Räumungstitel vor, hat die Behörde gar kein Ermessen mehr; ihr Ermessen reduziert sich auf Null. Soviel zur Theorie.

Grundvoraussetzung ist, dass zunächst einmal ein Antrag gestellt wird; und zwar bevor Sie den Lastwagen bestellt haben und umziehen. Also, so früh wie möglich die Übernahme der Umzugskosten, Wohnbeschaffungskosten und Mietkaution (die übrigens nur als Darlehen zu gewähren und beim neuen Jobcenter zu beantragen ist) beim JobCenter des bisherigen Wohnortes beantragen.

Dieser Antrag ist in jedem Fall von der Behörde förmlich zu bescheiden. Bitte immer daran denken, dass Sie den Zugang des Antrages beweisen können. Am besten in Kopie zum Sachbearbeiter mitnehmen und sich darauf bestätigen lassen. Oft stellen sich schon die ersten Probleme ein, wenn dieser Antrag nicht in angemessener Zeit beschieden wird. Das Hinauszögern einer Umzugszusicherung mit dem Argument, die Wohnungslosigkeit drohe ja erst bei einer Räumung, ist immer rechtswidrig und muss nicht hingenommen werden.

Die Behörde muss die Umzugskosten übernehmen, wenn

  • der Umzug notwendig ist,
  • die Miete der neuen Wohnung angemessen ist und
  • die Behörde der Anmietung der neuen Wohnung zugestimmt hat (Alg 2) oder im Falles Bezuges von Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter (Sozialhilfe) die Behörde in Kenntnis gesetzt hat.

Wann ein Umzug notwendig, also erforderlich ist, kann sich ein normal denkender Mensch an einer Hand abzählen; Behörden problematisieren das allerdings oft: Liegt ein Räumungstitel vor, dann sind die daraus resultierenden Umzugskosten selbstverständlich immer erforderliche Kosten (Lehr- und Praxiskommentar SGB II § 22 Rz 76; LSG Berlin-Brandenburg v. 18.12.2008 – L 25 B 2222/08 AS ER; LSG NRW, Beschluss v. 3.9.2010 – 1085/10 B ER), denn die Ursache für den aufgrund des Urteils erforderlichen Auszug und den damit immer verbundenen Umzug kann nur durch den Umzug selbst behoben werden. Anders geht es eben nicht. Schwieriger kann es durchaus sein, wenn nur eine Eigenbedarfskündigung, aber noch kein Räumungstitel vorliegt. Sofern keine ernsthaften Zweifel an den Voraussetzungen einer zulässigen Eigenbedarfskündigung bestehen, darf das JobCenter den Leistungsberechtigten nicht in eine Vertragsverletzung mit entsprechendem Kostenrisiko durch Klage treiben.

Liegt letztlich eine Entscheidung vor, ob die Umzugskosten gewährt werden, erwartet den Antragsteller oft Streit, in welcher Höhe die Umzugskosten zu gewähren sind, wobei der Umzug grundsätzlich in Selbsthilfe durchgeführt werden soll.

Zu den notwendigen Kosten eines Umzuges gehören alle Kosten, die wegen des Umzuges anfallen (Eicher/Spellbrink SGB II, § 22 Rz. 84) und die ohne diesen nicht angefallen wären, wie beispielsweise Sperrmüllgebühren, Wiederbeschaffungskosten von Hausrat und Möbeln, die durch den Umzug funktionsuntüchtig geworden sind, Verpackungskosten, Transportkosten, Haftpflichtversicherung von privaten Umzugshelfern. Die Zahlung von Umzugspauschalen wird oft als zulässig angesehen (200 € für Zweipersonenhaushalt, 381 € für Dreipersonenhaushalt). Ich halte diese für unzulässig. Natürlich müssen entsprechende Kostenvoranschläge eingeholt werden, um die Kosten niedrig zu halten. Liegen besondere Voraussetzungen vor, sind durchaus auch die Kosten für ein gewerbliches Umzugsunternehmen zu übernehmen. Voraussetzung dafür ist, dass der Leistungsberechtigte den Umzug beispielsweise wegen Alters, Behinderung, körperlicher Konstitution oder wegen der Betreuung von Kleinstkindern nicht selbst vornehmen oder durchführen kann. Dies hat das JobCenter gegebenenfalls zu ermitteln, BSG, Urteil v. 6.5.2010 – B 14 AS 7/09 R. Beruft sich der Leistungsbezieher auf seine fehlende körperliche Leistungsfähigkeit, hat er dies durch ein privatärztliches Attest glaubhaft zu machen. Nicht ausreichend sein dürften leichtere Einschränkungen durch Beschwerden am Bewegungsapparat oder leichte Erkrankung innerer Organe, die sich nur geringfügig auf die körperliche Leistungsfähigkeit auswirken. Ein in der Bedarfsgemeinschaft lebendes zweijähriges Kind ist als „Kleinstkind“ im Sinne des Bundessozialgerichts aufzufassen. Ein selbst organisierter Umzug einer allein erziehenden Person dürfte in diesem Fall nicht mehr möglich sein.

Rechtsanwalt Dr. med. Herbert Karpienski

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4 Antworten zu Übernahme von Umzugskosten nach Räumungsklage

  1. Sonja Röder sagt:

    Guten Tag: Zwei Fragen an Sie: Wann muss / soll / kann ich, dem Jobcenter von unserer Eigenbedarfskündigung kundtun?

    Wie finde ich einen guten Anwalt, der Mietrecht und Sozialrecht gleichzeitig gut kennt? (Meine Tochter ist zu 100 Prozent behindert, u. a. gehbehindert und Autistin. Wir haben beide chronisch und akut epileptische Anfälle). Ich war beim Mieterschutzbund, das war übel. Uns wurde auch die fristlose Kündigung in Aussicht gestellt (Grund: Meine Bücher bedrohen Statik, Brandschutz, Fluchtwege).

    Vielleicht haben Sie Tipps für uns?

    Ihnen einfach gute Grüße aus Bonn

    Sonja Röder

  2. g.g sagt:

    Hallo

    mein freundin ist allein erziehen mit 2kindern.sie möchte
    von gelsenkirchen nach essen ziehen.sie hat schimmel in der wohnung und die heizungen funtionieten auch nicht gut.sie. bekommt ihr geld vom jobcenter in gelsenkirchen.

    Sie weiss nicht bei welchem amt sie anfangen soll.

    danke für die antwort schon im vorraus.

    grüsse g.g

  3. Sabine Arnold sagt:

    Sehr schön geschrieben, aber leider nutzt das nichts .

    Ich musste wegen Eigenbedarf ausziehen, bin Hartz 4 Empfänger.
    Habe zeitnah eine neue Wohnung gefunden, diese wurde auch genehmigt und die Kaution durch ein Darlehen gewährt.

    Für den Umzug gab es 200 Euro.
    Bekannt ist das ich alleine bin, keine Angehörigen, keine Fahrerlaubnis, kein Partner habe.
    Bewegungseingeschränkt durch einen Unfall kann ich das linke Handgelenk nicht richtig bewegen.

    Ich habe bis zu 18 Umzugsangebote eingereicht, diese kamen am Ende postwendend zurück.
    Man hat mich auflassen lassen erst die Kündigung , dann die Räumungsklage, weil der Umzug nicht stattfinden konnte.
    Miete wurde für die neue Wohnung bezahlt die alte Wohnung ging leer aus.
    Darauf die Räumungsklage.
    ein studentischer Umzugshelfer hatte die Idee vom Baumarkt einen Plattentransporter zu holen. Es war Sonntag , was normaler weise sogar ordnungswidrig ist.

    So hatte ich den größten Teil meiner Möbel dann durch die Strassen geschoben.
    Hurra ein Hartz Empfänger zieht wieder um.

    Ich hatte mal Einbaumöbel, wohlbemerkt hatte.
    Zusammengebaut werde ich die nie wieder bekommen.
    Meine Wohnung sieht aus wie ein geborener Messsie.
    Schlafen auf ner Matratze.
    Schrauben hatte ich nach 3 Tagen noch immer gefunden in der alten Wohnung gefunden.
    sämtliche Zwischenbretter meiner Komoden sind spurlos verschwunden.
    20 Stunden hatte ich den Helfer dann waren die 200 Euro aufgebraucht und mein Helfer spurlos verschwunden.

    So stand ich wieder alleine da.
    Mein Gewerbe still gelegt weil ich mich ja um mein Hab und Gut kümmern musste.
    Dem Jobcenter egal, arbeiten ist nicht wichtig , Hauptsache wieder Geld sparen auf Gesundheit der Hartz 4 Empfänger.

    Von Hand tragen kostet Zeit.
    Hätte ich es nicht geschafft meine Möbel trotz Schmerzen im Handgelenk aus der Wohnung zu bekommen wären sie eingelagert worden.
    Das JC schloss die Augen und meine Akte.
    Ich bekomme derzeit 256 Euro zum Leben und solle davon Vorauslagen vornehmen die ich für den Umzug brauche. Wie soll das gehen?

    Im Nachhinein erführ ich gestern, das der Eigentümer nicht wie angekündigt selbst einziehen will. Ursprünglich kündigte mich die Dame weil sie Psychisch nicht m,ehr in der Lage sei in Stuttgart eigenständig zu leben und den Hauptwohnsitz nach Berlin verlegen will.
    Jetzt zieht der Sohn dort ein.

    Die Mietschulden sind verauslagt worden und somit beim Gericht beglichen. Mein Vermieter zog die Klage dennoch nicht zurück.

    Habe ich die Chance irgendwo noch irgendetwas geltend zu machen ?

    Ich bin nervlich ziemlich zugerichtet…

  4. K. Behne sagt:

    Hallo, ich habe eine Eigenbedarfskündigung erhalten und muss zum 31.mai 2019 ausziehen. Das Jobcenter verweigert aber den Umzug in eine Wohnung, die 2 Euro teuer ist, als die Mietobergrenze zulässt. Günstiger sind die Mieten in dieser Stadt aber in der Zeit nicht zu finden. Gleichzeitig habe ich eine psychische Erkrankung (bescheinigt). Der Vermieter hat Räumungsklage angedroht und das Jobcenter verhindert quasi den Auszug. Gleichzeitig will das JC ab Ende Mai die Mietzahlungen einstellen, sodass ich Mietschulden anhäufe. Dürfen die das einfach so? Lg K. Behne