Die Überprüfung von Leistungs- und Rückforderungsentscheidungen des Jobcenters sind für viele von Hartz 4 – Betroffene wichtig
Im Zuge der Gesetzesänderungen, die ja ohnehin nicht wirklich befriedigend ausgefallen sind, hat der Gesetzgeber nahezu unbemerkt eine für Leistungsberechtigte sehr nachteilige Regelung eingeführt. Der neue Gesetzestext kommt unscheinbar daher, hat es aber in sich. Der neue § 40 Abs. 1 SGB II lautet: „Für das Verfahren nach diesem Buch gilt das Zehnte Buch. Abweichend von Satz 1 gilt § 44 Absatz 4 Satz 1 des Zehnten Buches mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt.“ Aha. Nun fragt sich: Was soll das? Und vor allem: Muss man darüber nun einen Artikel schreiben?
Ja, man muss! Schon deshalb, weil für viele Betroffene Nachteile entstehen können, wenn man es nicht tut. Die aus dem Gesetzestext für den Laien nicht unbedingt verständliche Gesetzesänderung bewirkt nämlich, dass Rechte, die Betroffene in 2010 noch hatten ab 2011 erheblich eingeschränkt werden. In dem erwähnten § 44 SGB X ist geregelt, dass im Sozialrecht Leistungen, die dem Betroffenen zugestanden hätten, aber nicht gezahlt wurden, auf Antrag noch volle vier Kalenderjahre rückwirkend gezahlt werden mussten. Beispielsweise in 2010 für die vier Jahre davor: 2009, 2008, 2007 und auch das gesamte Jahr 2006.
Schon jetzt hat sich das für den Bereich SGB II (Hartz 4) leider geändert: Es ist nur noch ein Jahr für das rückwirkend Leistungen erbracht werden. Wer also bis zum 31.12.2011 eine Überprüfung seiner Leistungen beantragt bzw. durch einen Rechtsanwalt beantragen lässt, kann Leistungen, die ihm oder ihr zugestanden hätten, noch rückwirkend ab dem 01.01.2010 bekommen. Wird der Antrag dagegen erst im Jahr 2012 gestellt, so kann man Leistungen nur noch für 2011, aber nicht mehr für 2010 erhalten.
Die neue, kürzere Frist kann sich besonders in einem Bereich sehr ärgerlich und teuer für Betroffene auswirken: Bei den Kosten der Unterkunft spricht sehr vieles dafür, dass jeder Bescheid in dem die Miete wegen angeblicher „Unangemessenheit“ nicht voll übernommen wird rechtswidrig ist. Zum Thema „Wohnkosten“ hatte der Essener Morgen bereits berichtet, daher in der gebotenen Kürze: Das Jobcenter Essen geht davon aus, die Kaltmiete dürfe für eine Person maximal 217,50 € betragen. Zu dieser Ansicht kommt es nach folgender Rechnung: 4,83 € pro Quadratmeter mal 45 qm angemessene Wohnfläche ergeben 217,50 € Kaltmiete. Die Wohnfläche stammt dabei aus den ehemaligen Regelungen zum sozialen Wohnungsbau. In den für NRW aktuell geltenden Regelungen sind 50 qm vorgesehen – interessiert das JobCenter aber nicht. Mit 50 qm gerechnet kommen bei der Rechnung 241,50 € als angemessene Miete raus. Das sind 24 € mehr, jeden Monat, 288 € im Jahr. Mit veränderten Zahlen stellt sich das gleiche Problem auch bei größeren Bedarfsgemeinschaften.
Über die Frage wer Recht hat, JobCenter oder Leistungsberechtigte wird vielfach noch gestritten. Tatsache ist aber: Wer jetzt nicht seinen in 2010 gekürzten Leistungsanspruch überprüfen lässt, kann es in 2012 nicht mehr und verliert unter Umständen Geld. Beachten Sie: Überprüfungsverfahren, Widerspruchsverfahren und sogar Klagen vor dem Sozialgericht sind für Sie kostenfrei – das gilt wegen des im Regelfall bestehenden Anspruches auf Beratungshilfe bzw. Prozesskostenhilfe praktisch auch für die Kosten der Beauftragung eines Rechtsanwalts. Diese empfiehlt sich gerade bei der genannten Wohnkostenproblematik, denn das JobCenter Essen lehnt solche Überprüfungsanträge regelmäßig wohl zu Unrecht ab. Gerne stehen Ihnen die offenen Sozialberatungsangebote, die der Essener Morgen veröffentlicht – z.B. das Beratungsangebot des gemeinnützigen Vereins BG45 Hartz4 Netzwerk Essen e.V. (www.bg45.de) – und auch der Autor zu einer rechtzeitigen Beratung zum Thema zur Verfügung.
Von Rechtsanwalt Carsten Dams
Im Nachtrag zum Artikel:
Da nur noch wenig Zeit zur antragstellung bleibt und nicht zu erwarten steht, dass das JobCenter rechtzeitig Eingangsbestätigungen zu den Anträgen versendet, ist es sehr wichtig, den Antrag richtig zu stellen.
Insbesondere sollte man später beweisen können, dass der Antrag noch in 2011 gestellt wurde, sich also den Eingang bestätigen lassen, per Fax mit Bild-Sendebericht arbeiten.oder gleich über einen Rechtsanwalt vorgehen.
Carsten Dams
Rechtsanwalt
Tätigkeitsschwerpunkt Sozialrecht