Stadt muss Zwangsvollstreckung einstellen

Bei Gericht ist das Vorgehen der Stadt Essen bei der Zwangsvollstreckung von Rückforderungen von Arbeitslosengeld 2 für rechtswidrig erklärt worden: Gegenwehr lohnt sich!

ZwangsvollstreckungDie Stadt Essen hat im Rahmen der Optionskommune die Arge Jobcenter beerbt und hierbei eine Vielzahl dubioser und ungeklärter Rückforderungen gegen Leistungsberechtigte übernommen, die Arbeitslosengeld 2 erhalten hatten. Auf die hierzu ergangene Anfrage nach dem Umgang mit dem Einzug dieser Forderungen im Rat der Stadt Essen reagierte die Verwaltung nach dem Motto: Augen zu und durch.
In mehreren Verfahren beim zuständigen Sozialgericht hat die Stadt nun Schiffbruch hiermit erlitten. Sie musste die Zwangsvollstreckungen einstellen, da sie nicht beweisen konnte, dass der Vollstreckung auch tatsächlich eine Forderung (ein Bescheid) zu Grunde lag. Die Verfahren haben die Aktenzeichen S 45 AS 4118/13 und S 6 AS 3336/13.
Obschon es eine gesetzliche Voraussetzung für die Durchführung der Zwangsvollstreckung ist, einen entsprechenden Titel vorliegen zu haben, der auch zugestellt wurde, reicht der beauftragten Finanzbuchhaltung bis jetzt aus, die Mitteilung des Jobcenters zu bekommen, dass diese Voraussetzungen vorliegen. Eine eigene Prüfung findet nicht statt. Somit war es absehbar, dass vom Sozialgericht die Einstellung der Vollstreckung verlangt wird.
Viele Betroffene trauen sich nicht dagegen vorzugehen, wenn sie von der Stadt eine Zahlungsaufforderung erhalten. Teilweise liegen die angeblichen Bescheide viele Jahre zurück. Bei der Unzahl von Bescheiden, die das Jobcenter produziert, kann sich der eine oder die andere auch nicht an jeden einzelnen Bescheid erinnern. Hier hat nun das Sozialgericht in mehreren Verfahren festgestellt, dass die Behörde im Zweifelsfall den Zugang eines Bescheides beweisen muss. Betroffene können sich andernfalls mit einer Vollstreckungsgegenklage (analog § 767 ZPO) hiergegen wehren. Diese Klagen sind zulässig. Für die Betroffenen dürfte es nun auch nicht mehr schwierig sein, anwaltliche Hilfe bei der Abwehr dieser unberechtigten Forderungen zu finden. Denn in den Gerichtsverfahren muss die Stadt auch die Kosten für den Rechtsanwalt tragen.

Mahngebühren sind ein Verwaltungsakt

Mit einer weiteren Entscheidung (Aktenzeichen S 45 AS 3401/13) hat das Sozialgericht nun auch die Rechtsschutzmöglichkeiten gestärkt, wenn von der Finanzbuchhaltung Mahngebühren erhoben werden. Die Stadt versieht diese „Zahlungsaufforderungen“ nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung, weswegen vielen unklar ist, ob und wie sie sich gegen diese Gebühren wenden können. Es handelt sich nach zutreffender Ansicht des Gerichts um eine Regelung, also einen Verwaltungsakt, der mit dem Widerspruch anfechtbar ist. Der Sozialrechtsweg ist hier eröffnet.

Zukünftig werden die Essener Bürger, die Forderungen des Jobcenters ausgesetzt sind, sich also nicht mehr wehrlos einer Behörde gegenüber befinden, die Kontopfändungen vornimmt, ohne überhaupt zu wissen, dass eine Zahlungspflicht des Bürgers besteht. Das Gericht gibt insbesondere anwaltlich vertretenen Betroffenen hier Werkzeuge an die Hand, effektiv Rechtsschutz zu erhalten. Die Stadt sollte endlich von ihren Alt-Forderungen gegen Alg2-Bezieher – bei denen eh nichts oder wenig zu holen ist – Abstand nehmen oder zumindest nur solche Forderungen vollstrecken, die gründlich geprüft wurden. Andernfalls drohen hier weitere Klagen mit erheblichen Kostenfolgen für die Stadt.

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