Verdeckte Armut in Deutschland – Ein brisantes Thema

Mehr als jeder Dritte verzichtet auf aufstockende Leistungen nach dem SGB II. Die sogenannte Verdeckte Armut ist ein Kennzeichen der Agenda 2010.

Die Verdeckte Armut ist längst kein Einzelfall mehr. Zwischen 3,1 und 4,9 Millionen Menschen in Deutschland sind von ihr betroffen. Das sind Menschen, die keine aufstockenden Leistungen nach dem SGB II beantragen. Und das, obwohl sie wegen zu geringem Einkommen oder Vermögen einen Rechtsanspruch darauf hätten. Dies ist eine direkte Auswirkung der Agenda 2010 mit dem durch sie entstandenen Niedriglohnsektor.

Dieses Ergebnis gibt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in einer aktuellen Simulationsrechnungen für das Bundesarbeitsministerium bekannt. Umgerechnet in Prozent verzichten somit zwischen 34 und 44 Prozent der Berechtigten auf staatliche Transferleistungen, mithin ergo mehr als jeder dritte. Als mögliche Gründe, warum kein Leistungsantrag gestellt wird, nennen die IAB-Forscher in der 247-seitigen Studie Unwissenheit, Scham oder eine nur sehr geringe zu erwartende Leistungshöhe oder –dauer.

Das könnte direkte Auswirkungen auf die Höhe des Eckregelsatzes nach dem SGB II haben

Politisch bedeutsam sind diese Zahlen für die Höhe des Eckregelsatzes nach dem SGB II und somit auch für die Grundsicherung nach dem SGB XII. Denn die richtet sich eigentlich nach den Konsumausgaben der unteren 20 Prozent der Einkommensbezieher. Die Verdeckte Armut zeigt hier bereits ihren Einfluss.

Und genau hierbei hatte die Bundesregierung schon 2011 statistisch getrickst, denn sie hatte nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes nur die unteren 15 Prozent der Einkommensbezieher als Ausgangsberechnungsgrundlage angesetzt. Bei diesen Berechnungen werden normalerweise die Bezieher von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen, damit keine Verarmungsspirale in Gang gesetzt wird.

Die Richter stellten damals auch fest, daß die Einbeziehung von verdeckt armen Haushalten in die Referenzgruppe „die Datenbasis verfälschen“ würde. Bei der Auswertung künftiger Einkommens- und Verbrauchsstichproben solle der Gesetzgeber darauf achten, diese zu entfernen. Was aber auch nicht geschah.

Denn die direkte Folge wäre gewesen, daß dann die Regelsätze deutlich hätten steigen müssen. Rechnet man die verdeckt Armen heraus, so steigen die Konsumausgaben bei Alleinstehenden laut IAB im Schnitt um bis zu 2,4 Prozent, bei Paaren mit einem Kind um bis zu 5,5 Prozent. Das Bundesarbeitsministerium bezeichnet die Zahl der verdeckt Armen als „beträchtlich“, will aber an der Berechnungsmethode nichts ändern. Würde diese Personengruppe herausgerechnet, „käme es durch die an deren Stelle nachrückenden Haushalte mit höherem Einkommen tendenziell zu einer Verlagerung der Referenzgruppe in den mittleren Einkommensbereich“, heißt es dazu im Regelbedarfsbericht, der Juli diesen Jahres im Sozialausschuss beraten wurde.
Quellen: Bericht nach § 10 RBEG und Material zur Information – Regelbedarfsermittlungsbericht

Und es steht zu befürchten, daß nach dem für den Herbst zu erwartenden erneuten Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu der Verfassungskonformität der Regelsätze die künftige Bundesregierung, wie immer sie auch aussehen mag, erneut dann die statistischen Tricks anwenden wird. Verdeckte Armut als Manipulationsinstrument.

Verdeckte Armut geht auch an den RentnerInnen nicht vorbei. Bedauerlicherweise werden aber auch von dieser Studie nicht die in verdeckter Armut leben RentnerInnen erfasst. Denn die Dunkelziffer der sog. Altersarmut ist nicht fassbar. Aber es ist davon auszugehen, daß es genug Betroffene gibt, deren Rente unter dem Eckregelsatz liegt. Viele von ihnen trauen sich ebenfalls aus Scham nicht, Leistungen nach dem SGB XII (also Grundsicherung im Alter) zu beantragen. Das Thema Verdeckte Armut in Deutschland wird uns noch lange beschäftigen.

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2 Antworten zu Verdeckte Armut in Deutschland – Ein brisantes Thema

  1. Peter Beucher sagt:

    Es gibt 930 Verteilstellen für Lebensmittel( Tafeln) in Deutschland und ca.11 Millionen Tonnen Lebensmittel werden pro Jahr in Deutschland vernichtet um die Preise stabil zu halten,oder auch weil das Mindesthaltbarkeitsdatum bald erreicht ist.
    Armut mitten im Überfluss und auch noch künstlich erschaffen ist schlimmer als allgemeiner Mangel wie er in anderen Ländern herrscht.

  2. Peter Beucher sagt:

    Gleich was auch passiert es gibt immer jemanden der davon profitiert.

    Hartz Regime Gegner :Peter Beucher

    Anno Domino Hartz : 23.2.2018