Ein systembedingter Einzelfall

Am 21.01.2013 veröffentlichte die NRZ einen Leserbrief von Heinz-W. Hammer. Für den zufriedenen Sozialdezernenten natürlich nur ein Einzelfall, für Leistungsberechtigte die Regel, das alltägliche Nichfunktionieren in der Optionskommune.

Betreff: »Ein Kraftakt ohne Hartz-Infarkt« in: NRZ Essen, 19.01.2013.

Bei der Einrichtung der »Optionskommune« sieht OB Paß (SPD) »überwiegend Erfolge« und Sozialdezernent Renzel (CDU) assistiert »Wir sind mit dem ersten Jahr sehr zufrieden«. Das mag ja für die großkoalitionäre Parteienbefindlichkeit Balsam sein, für die Betroffenen ist diese Schönfärberei blanker Hohn. Abgesehen davon, dass das angebliche »Prinzip Fördern und Fordern« seit Einführung der Hartz-Gesetze primär auf Repression setzt, hatten Erwerbslosenverbände nachdrücklich vor den mit der Einführung der sog. »Optionskommune« verbundenen Verschlechterungen für die Betroffenen gewarnt. Zu recht! Hatte es vorher schon regelmäßige Probleme mit der Agentur für Armut gegeben, so wurden diese nun noch dadurch potenziert, dass selbst bei existentiellen Fragen seitens dieses neuen Konstrukts erst gar nicht reagiert wird.

Persönliches Beispiel: Am 13.04.2012 sandte ich eine Heizkostennachforderung ein und zahlte diesen zunächst aus dem Regelsatz. Eine Antwort in Form einer Ablehnung kam nach neun (9!) Wochen! Nach Einschaltung eines Rechtsanwalts wurde die Ablehnung am 08.10.2012 zurückgenommen. Die Auszahlung erfolgte also schließlich nach einem halben Jahr. Am 07.11.2012 sandte ich eine Betriebskostennachforderung ein, die ich aufgrund der Höhe nicht aus dem Regelsatz vorstrecken konnte. Ich habe schriftlich darauf aufmerksam gemacht, dass daher existentielle Probleme mit dem Vermieter entstehen könnten, wenn wieder monatelang nicht reagiert würde. Ergebnis: Trotz drei weiterer Anschreiben gibt es bis heute keine einzige Antwort, nicht einmal eine Eingangsbestätigung. Seit zweieinhalb Monaten (!) muss ich den Vermieter um Aufschub bitten und zudem erneut einen Anwalt zur Wahrung meiner Rechte einschalten.

Dies sind, wie von anderen Betroffenen zu erfahren ist, keine Einzelfälle, sondern die Regel. »Sehr zufrieden mit überwiegend Erfolgen«? Betroffene werden behandelt wie eine ärgerliche Betriebsstörungen (um einen nicht justitiablen Vergleich zu wählen) und damit zusätzlich in Notsituationen gebracht! Dazu passt die Aussage des »Jobcenter«-Chefs Gutschmidt: »Bei uns landen dann die Menschen, die zwölf Monate bei der Bundesagentur durchgekaut wurden«. Menschen, die »durchgekaut wurden« – Was für ein Menschenbild!

Heinz-W. Hammer, Essen

Der Geschäftsführer des JobCenters  Herr Gutschmidt liest die NRZ, oder lässt lesen, und wendet sich fürsorglich Herr Hammer zu. Schreiben von der Geschäftsführung des JobCenters

Geht doch, über Rechtsanwalt, über Herstellung der Öffentlichkeit… Wir danken Herrn Hammer für die Erlaubnis seinen Einzelfall zu veröffentlichen.

Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt!

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Eine Antwort zu Ein systembedingter Einzelfall

  1. Danke für die Veröffentlichung dieses Leserbriefes auch bei Ihnen.
    Ich halte ihn für sehr verbreitenswert.
    Leider können sich nicht alle „systembedingten Einzelfälle“ so gut artikulieren wie Herr Hammer.
    Es ist nur zu hoffen, dass die anderen Einzelfälle sich dazu ermutigt fühlen, sich ebenfalls öffentlich zu melden und sich zu solidarisieren.