Der automatisierte Datenabgleich zur Ermittlung von Kapitalerträgen durch die JC ist verfassungskonform
Das BSG urteilte aktuell, dass der automatisierte Datenabgleich zur „Aufdeckung“ von Kapitalerträgen durch die JobCenter, der in § 52 SGB II verankert ist, nicht gegen die Verfassung verstößt. Und einen verhältnismäßigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Leistungsberechtigten darstellt.
Bedauerlicherweise hat das BSG in seinen Urteilsbegründungen eine Marschrichtung vorgegeben, die im Hinblick auf die anstehenden Rechtsverschärfungen innerhalb des SGB II fatale Folgen haben könnte.
Daten und deren Abgleich
Zur näheren Erklärung greifen wir auf die Medieninformation des BSG zurück:
Medieninformation Nr. 11/15
Keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den automatisierten Datenabgleich der Jobcenter zur Ermittlung von Kapitalerträgen
SGB II-Bezieher müssen den Datenabgleich der Jobcenter in der von § 52 Abs. 1 Nr. 3 SGB II vorgesehenen Form hinnehmen. Die Vorschrift ist eine gesetzliche Grundlage im Sinne der datenschutzrechtlichen Regelungen im SGB I und SGB X, die den Eingriff in den Schutzbereich des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung rechtfertigt, weil sie dem Gebot der Normenklarheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt. Dies hat der 4. Senat des Bundessozialgerichts am 24. April 2015 entschieden.
Der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende beziehende Kläger wandte sich mit seiner vorbeugenden Unterlassungsklage gegen den automatisierten Datenabgleich, den die Jobcenter zum 1. Januar, 1. April, 1. Juli und 1. Oktober mit dem Bundeszentralamt für Steuern durchführen, indem deren Daten mit den dort vorhandenen Informationen zu Kapitalerträgen, für die Freistellungsaufträge erteilt worden sind, abgeglichen werden. Daraus resultierende „Überschneidungsmitteilungen“ ermöglichen weitere Nachfragen der Jobcenter zu etwaigen Zinseinkünften oder bisher nicht bekannten Vermögenswerten.
Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat die Revision des Klägers gegen die negativen Entscheidungen der Vorinstanzen zurückgewiesen. Er ist davon ausgegangen, dass die Regelungen den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Normenklarheit genügen, weil der Anlass, der Zweck und die Grenzen des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in der Ermächtigung ausreichend bestimmt festgelegt sind. Datenabgleiche mit dem Bundeszentralamt für Steuern auf der Grundlage des § 52 Abs. 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit der Grundsicherungs-Datenabgleichsverordnung verstoßen auch nicht gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie dienen der Vermeidung des Leistungsmissbrauchs und damit einem Gemeinwohlbelang, dem eine erhebliche Bedeutung zukommt. Der Abgleich ist auch geeignet, erforderlich und angemessen, um die beschriebenen Zwecke zu erreichen. Den Gemeinwohlbelangen von erheblicher Bedeutung steht ein nur begrenzter Einblick in die persönliche Sphäre des SGB II-Berechtigten gegenüber, weil lediglich einzelne Daten zur Einkommens- und Vermögenssituation des Leistungsberechtigten abgeglichen und ‑ mit Ausnahme des jahresbezogenen Abgleichs zum 1. Oktober ‑ nur im vorangegangenen Kalendervierteljahr an das Bundeszentralamt übermittelte Daten einbezogen werden dürfen. Der Gesetzgeber muss nicht allein auf die Angaben von Sozialleistungsbeziehern abstellen, sondern kann ein verhältnismäßig ausgestaltetes Überprüfungsverfahren vorsehen.
Az.: B 4 AS 39/14 R R. M. ./. Jobcenter Bochum
Daten und deren Abgleich
Für besorgniserregend halten wir den Schlußsatz der Medieninformation des BSG zum Datenabgleich. Denn er kündigt eine Marschrichtung des BSG im Hinblick auf die anstehenden Rechtsverschärfungen an, die zum Boomrang für Leistungsberechtigte werden könnte. Denn es steht eine Erhöhung der Frequenz des Datenabgleichs von drei Monaten auf einen Monat im Raum. Und wenn jetzt bereits das BSG einen Abgleich der Daten alle drei Monate für verhältnismäßig erachtet, wie wird es dann bei einem künftig gesetzlich verankerten monatlichen Abgleich entscheiden?
Vermutlich wird es ihn auch dann noch als verhältnismäßig betrachten.
Anklagen ist in demselben Maße leichter als Verteidigen, wie es leichter ist, Wunden beizubringen, als heilen.
Quintilian (um 30 – 96), eigentlich Marcus Fabius Quintilianus, römischer Rhetor, Schriftsteller, Lehrer der Beredsamkeit und Erzieher des Kaisers Domitian