Fahrtkosten für Arztbesuch und deren Übernahme durch das JobCenter
In Zusammenhang mit entstehenden Fahrtkosten zu regelmäßigen Facharztterminen hat das Sozialgericht Main unter dem AZ S 15 AS 1324/10 einen wegweisenden gerichtlichen Vergleich herbeigeführt.
Nach diesem Vergleich kann eine außergewöhnliche Lebenssituation zu einer Übernahme der Fahrtkosten durch das JobCenter führen.
Fahrtkosten bei außergewöhnlicher Belastung sind Mehrbedarf
Fahrtkosten, die durch medizinisch indizierte regelmäßige Facharztbesuche entstehen und den Durchschnitt des im Regelsatz enthalten Anteils für Beförderung überschreiten, können als Mehrbedarf gem. § 21 Abs. 6 SGB durch das JobCenter übernommen werden. Das ist die Kernaussage dieses Vergleichs.
Hierzu zitieren wie die Pressemeldung des Sozialgerichtes Mainz:
Hartz-IV: Fahrtkosten für Facharztbesuch
Das Sozialgericht Mainz hatte sich in einer mündlichen Verhandlung im Oktober 2013 (Az.: S 15 AS 1324/10) mit der Frage zu beschäftigen, ob ein Bezieher von Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“) beim Jobcenter Fahrtkosten für notwendige Facharztbesuche als „Mehrbedarf“ geltend machen kann.
Der zum Zeitpunkt der Klageerhebung in der Nähe von Mainz lebende Kläger wurde in seinem Heimatland verfolgt und gefoltert. Er leidet an einer schweren Traumastörung und befand sich in regelmäßiger fachärztlicher Behandlung in Frankfurt, wohin er mittels öffentlicher Verkehrsmittel gelangte. Seinen Antrag auf Gewährung einer „Sonderleistung“ für die Fahrtkosten nach Frankfurt in Höhe von jeweils 9,35 Euro lehnte das beklagte Jobcenter mit der Begründung ab, dass in diesem Fall die Voraussetzungen für die Gewährung eines sogenannten Mehrbedarfs nicht vorliegen würden. Zur Begründung verwies die Behörde zum einen darauf, dass der Kläger zu einem Facharzt am Wohnort wechseln könne. Darüber hinaus seien Fahrtkosten bereits abschließend durch die pauschal gewährte Regelleistung abgedeckt, so dass der Kläger gehalten sei, für im Streit stehenden Kosten auf die Regelleistung zurückzugreifen bzw. sie aus diesen Mitteln anzusparen.
In der mündlichen Verhandlung wies das Sozialgericht das Job-Center jedoch u. a. darauf hin, dass Fahrtkosten nach den Regelungen des SGB II zwar grundsätzlich in der Regelleistung als Bedarf enthalten sind, dies jedoch nur in durchschnittlicher Höhe. Mittlerweile erkenne das Gesetz durchaus an, dass es außergewöhnliche Lebenssituationen gebe, in denen nicht nur einmalig, sondern laufend besondere Bedarfe entstehen, die z. B. durch ein Ansparen nicht mehr aufgefangen werden können. In diesem Fall müsse das Jobcenter zusätzliche Leistungen gewähren. Zu Gunsten des Klägers war insbesondere zu berücksichtigen, dass er aus medizinischen Gründen weiter regelmäßig seine Ärzte in Frankfurt aufsuchen musste, da es ihm aufgrund seiner Krankheit sehr schwer falle, Vertrauen zu neuen Ärzten aufzubauen. Seine Ärzte waren zudem Spezialisten für die Therapie von Folteropfern. Diese Besonderheiten verursachen dem Kläger laufend überdurchschnittlich hohe Fahrtkosten. Würde man ihn darauf verweisen, diese Kosten aus der Regelleistung zu bestreiten, käme dies faktisch einer Kürzung des Regelbedarfs gleich.
Aufgrund des Hinweises des Gerichts erklärte sich das Jobcenter im Wege eines gerichtlichen Vergleichs zur Übernahme der Fahrtkosten bereit.
Betroffene hier in Essen
Wie immer der Hinweis, dass sich hier in Essen Betroffene bei weitergehenden Fragen zu diesem Vergleich gerne an eine unserer kostenfreien und offenen Rechtsberatungen wenden können.