Klagen und Widersprüche auf einem Allzeitrekordhoch

Neues Allzeithoch im August dieses Jahres bei Klagen und Widersprüche

Nach übereinstimmenden Presseberichten ist die Zahl der von der Bundesagentur für Arbeit registrierten Klagen und Widersprüche im August auf ein neues Allzeithoch geklettert. Noch nie seit der Einführung des Rechtskreises SGB II im Januar 2005 gingen in einem Monat so viele Widersprüche bei den JobCentern und Klagen bei den Sozialgerichten ein. Die konkreten Zahlen lauten: 63.526 Widersprüche und 13.391 Klagen.

Für das laufende Kalenderjahr ergibt sich somit eine Gesamtsumme von 196.880 Widersprüchen und 200.544 bei den Sozialgerichten anhängigen Klagen.

In manchen Regionen klagt nach den Zahlen der BA mittlerweile fast jeder zweite Haushalt, der auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen ist. Selbiges gilt für die Widersprüche.

Dabei war nahezu jede zweite Klage im Jahre 2012 zumindest teilweise erfolgreich, wie eine Anfrage durch die Linke-Fraktion im Bundestag im Mai diesen Jahres ergab. Nur jede zehnte Klage wurde nach den Angaben des Bundesarbeitsministeriums abgewiesen.

45 Prozent aller Klagen „erledigten sich anderweitig“, also z.B. durch Vergleich oder Anerkenntnis einer Partei. Laut diesen Angaben waren darüber hinaus im Jahr 2012 etwa 35 Prozent aller Widersprüche erfolgreich.

Kommentieren muß man diese Zahlen eigentlich nicht. Denn sie offenbaren selbstredend den Gesetzesmurks namens SGB II und zeigen auf, wie sehr die Betroffenen durch die JobCenter drangsaliert werden. Andererseits steckt doch eine gewisse Erfreulichkeit in diesen Zahlen, denn die verdeutlichen, daß sich immer mehr SGB II-Leistungsbezieher wehren und ihr Recht auf Recht geltend machen.

Das System ist die Ursache

Dies ist auch eine Folge der Sanktionspolitik, der derzeitigen Regierung. Wir berichteten in unserem Beitrag Sanktionen – Das leidige Thema im SGB II darüber. Durch ein künstliches Puschen der Sanktionen ergeben sich naturgemäß Entscheide, die entsprechend anfechtbar sind. Aber es sind nicht nur Sanktionen, die fehlerhaft oder unbegründet erlassen wurden, die die Zahlen bei Klagen und Widersprüche in die Höhe treiben.

Auf den Sacharbeiterinnen und Sacharbeiter der JobCenter lastet ein enormer Druck. Nicht selten leiden sie unter dem täglichen Stress oder sind für ihren Arbeitsbereich nicht hinreichend ausgebildet. Somit kommt es z.B. immer wieder zu Fehlern bei Bescheiden oder Handlungsniederschriften. Die hohe Zahl der Klagen und Widersprüche ist also auch eine direkte Folge der Art und Weise, wie die JobCenter mit ihren Angestellten an der vordersten Front verfahren. Ausbaden müssen dies die hilfebedürftigen Menschen sowie die Sozialgerichte.

Dieses System ist durch und durch krank. Es ist von innen verfault und gehört abgeschafft. Hartz IV muss weg!

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2 Antworten zu Klagen und Widersprüche auf einem Allzeitrekordhoch

  1. Stefan sagt:

    Es ist nicht nur Hartz4.Im Fall der „Optionskommune“ Essen herrscht inzwischen eine Inhumanität, die schlichtweg nicht mal mehr durch Erbrechen erträglch wird.
    In einem Fall war es der „Gefahrenabwehr“ sogar beinahe egal, ob da 2 Menschen in einem Haus ohne Strom verrecken (das meine ich wörtlich).
    In einem anderen Fall klage ich beim Sozialgericht für eine 83-jährige Frau für einen Behindertenparkplatz; sie kann kaum 5 Schritte mit Hilfe gehen.
    Hier ist der Stadt nicht mal mehr die Lüge gegenüber einem Sozialgericht zu peinlich. Behauptet die Stadt doch, die Frau hätte täglich längere Spaziergänge angegeben und auch im Pflegegutachten sei Gehfähigkeit bis 400m bescheinigt. (was natürlich nicht der Fall ist).
    Der Dreck zieht sich in Assindia durch beinahe alle Behörden und NIEMANDEN juckt es.

    Und sorry. Ich finanziere meine „Sozialarbeit“ als Hartz4 Empfänger aus eigener Tasche, wo die BG45 offenbar Beratungsgutscheine des Amtsgerichts für einfache Widersprüche gegenüber dem JC verlangt. (Innenstadt)

    Da bekleckert sich auch die Linke nicht unbedingt mit Ruhm.

  2. Herwig Heupel sagt:

    @ Stefan

    Ihren Kommentar kann ich in meiner Eigenschaft als 2ter Vorstandsvorsitzender leider nicht so stehen lassen.

    Denn wir als BG45 Hartz4-Netzwerk-Essen e.V. sind ein unabhängiger, eigenständiger Verein. Wir haben sicherlich unser Büro in der Severinstraße bei der Linken, aber das heißt noch lange nicht, daß wir ein Teil von ihr sind.

    Desweiteren bieten wir unsere Rechtsberatung als Kooperation mit den Fachanwälten für Sozialrecht an, was heißt, nicht wir als BG45 benötigen ggfs. die Beratungsscheine der Amtsgerichte, sondern die Rechtsanwälte selber.

    Darüber hinaus haben sich dieses Jahr die gesetzlichen Regelungen zu der Beratungshilfe dahingehend geändert, daß die Anwälte nur noch ausnahmsweise und in besonders eilbedürftigen Fällen nächträglich einen Beratungshilfeschein beantragen dürfen. Der Regelfall sieht mittlerweile so aus, daß der Ratsuchende zuerst selber das Amtgericht aufsuchen muß, um dort den Beratungshilfeschein zu erlangen, welchen er dann beim Rechtsanwalt vorlegen kann. Hierzu verweise ich auf unseren Artikel zu dem Thema „Änderungen bei der Prozeßkosten- und Beratungshilfe“, dort ist eine Verlinkung auf die Änderungen vorhanden, wo Sie dies alles gerne noch einmal persönlich nachlesen können.

    Aber ich denke, einer der mit uns kooperierenden Anwälte wird dazu aber sicherlich auch noch persönlich Stellung nehmen.

    Und Sie sollten bitte eines nicht vergessen: Unsere Anwälte führen die Rechtsberatungen ehrenamtlich und kostenfrei durch.

    Erst wenn sie in einem wie von Ihnen benannten Fall anwaltlich tätig werden sollen, benötigen sie die Beratungsscheine. Das sie dann aber auch ein Recht auf ein Honorar für Ihre Arbeitsleistung haben, ist wohl unstrittig.

    MfG

    Herwig Heupel
    2ter Vorstandsvorsitzender BG45 Hartz4-Netzwerk-Essen e.V.