Verschwinden in Essener Ämter Akten?
Mit dieser Frage und einigen anderen empört sich ein Leistungsberechtigter in einem offenen Brief (26.10.2012), der an alle Fraktionen im Rat der Stadt Essen gesendet wurde.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werter Rat der Stadt Essen.
Wie lange trägt der Rat der Stadt Essen noch die Entscheidung, sich als Optionskommune für die ALG II Bezieher der Stadt Essen, verantwortlich zu fühlen, und die Entscheidungen des Sozialdezernenten mitzutragen?
Wir haben heute den 26.10.2012, 12:31Uhr. Ich habe soeben von 11:53 bis 12:20 in der Warteschleife der so genannten Servicehotline des Jobcenters Essen gehangen, ohne einen Kontakt zu einem oder einer Sachbearbeiterin zu bekommen. Ich habe, im Hinblick auf das Guthaben meiner Prepaidkarte dann die Verbindung beendet. Die Stadt Essen ist seit dem 01.01.2012 Optionskommune. Von all den vollmundigen Versprechen ihres Sozialdezernenten, über einen nahtlosen und vor allem reibungslosen Übergang von der Arge hin zur Stadt Essen, ist nichts als Frust für alle Betroffenen geblieben.
Pleiten, Pech und Pannen begleiten diesen Übergang, der bis heute nicht abgeschlossen ist.
Von weiteren Ankündigungen im Mai, ab August würde eine neue Telefonanlage installiert, sodass keine Probleme in der Erreichbarkeit mehr bestünden, hier bedenke man dass zu dieser Zeit die Stadt Essen schon fünf Monate Optionskommune war, über einen Bearbeitungsstau bei Neu-, und Weiterbewilligungsanträgen, bis hin zu willkürlich, sachlogisch nicht nachzuvollziehbaren An-, und Abmeldungen der Bedürftigen bei ihren zuständigen Krankenkassen. Ganz zu schweigen von Anträgen die auf merkwürdige Weise im Jobcenter verschwinden, und auf mysteriöse Weise irgendwann wieder auftauchen, wenn sie es denn tun.
In welchem weiteren Amt der Stadt Essen gehen denn Anschreiben und Akten verloren? Wie erklärt man einem mündigen Bürger diesen Umstand?
Der Mehraufwand der hier produziert wird, löst selbstverständlich auch bei den Krankenkassen und den Sozialversicherungsträgern Mehraufwände aus, die nicht entstanden wären, wenn die Sachbearbeiter in den Jobcentern der Stadt Essen ihre Arbeit pflichtbewusst erledigt hätten.
Hinzu kommt, dass jeder einzelne Bescheid der vom Jobcenter ergeht, und in seiner Sache unlogisch und falsch ist, ein zweites und drittes Mal bearbeitet werden muss. Wer wundert sich da, dass ein Antragstau entsteht. Ganz zu Schweigen von dem, was es für die Hilfebedürftigen Betroffenen auslöst.
Als weiteres Übel kommen Einladungen zu Gesprächen zu einem Termin, der zwei Wochen vor Erstellung der Einladung liegt. Oder Wohngemeinschaften die plötzlich zu Bedarfsgemeinschaften werden. Da werden Nachbarn ausgehorcht um an Informationen zu kommen, die man von den Betroffenen doch selbst einholen könnte, wenn man einen Termin mit ihnen gemacht hätte. Wie sich diese Betroffenen fühlen, zumal wenn es sich um in einer Wohngemeinschaft lebenden Personen männlichen Geschlechts handelt, und weiterhin in ihrem Umfeld leben möchten oder müssen, möchte ich gar nicht drüber nachdenken. Das ist für mich eine eindeutige sexuelle Diskriminierung, durch das Jobcenter. Tratsch im Treppenhaus gibt es nicht erst seit Heidi Kabel.
Ein weiteres Ärgernis ist die Bearbeitung von Leistungen für Minijobber. Jeder der die Möglichkeit hat, einen Minijob anzunehmen wird sicher gerne diese Möglichkeit nutzen, um sich etwas dazu zu verdienen. Ich habe in meinem Bekanntenkreis noch keinen Minijobber gefunden, der einen halbwegs sachlogisch nachzuvollziehbaren Bescheid von seinem zuständigen Jobcenter in Händen gehalten hätte.
Es kann doch nicht so schwer sein von vierhundert €uro, einen Freibetrag von einhundert Euro abzuziehen, und von den verbleibenden dreihundert Euro zwanzig Prozent auszurechnen.
Erschreckender Weise ist das Internet voll von all diesen Vorgängen die das Jobcenter Essen betreffen. Da drängt sich einem die Frage auf, ob die Mitarbeiter der Jobcenter der Stadt Essen von heute auf morgen nicht mehr wissen was sie tun. Zumindest seit dem 01.01.2012. Durch eine Systemumstellung, die auch bis heute nicht abgeschlossen zu sein scheint, ist dies sicher nicht zu erklären.
Man stelle sich einmal vor, unser Sozialdezernent wäre in der freien Wirtschaft tätig, wie lange hätte er sich dort in einem solchen Projekt gehalten? Sicher wäre er heute schwer vermittelbar.
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, werter Rat der Stadt Essen,werden Sie ihrer sozialen Verantwortung gerecht, machen Sie diesem Trauerspiel ein Ende und geben Sie die Verantwortung an die Arge zurück. Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende. Oder wie lange wollen Sie den Hilfebedürftigen diese Zustände noch zumuten?
Bevor ich mit dem Ministerium für Arbeit, Integration und Soziales und dem Petitionsausschuss des Landes Nordrhein-Westfalen Kontakt aufnehme, verbleibe ich, in Erwartung ihrer Stellungnahme.
Hochachtungsvoll
Helmut Meyer
Nachfolgend der Schriftverkehr zwischen Herrn Meyer und dem Geschäftsführer der Fraktion DIE LINKE.
Am 29. Oktober 2012 17:19 schrieb Jörg Bütefür <j.buetefuer@linksfraktion-essen.de>:
Sehr geehrter Herr Meyer,
vielen Dank für die Schilderung Ihrer Erlebnisse und Einschätzungen. Aus unserer Sicht ist dies sehr wichtig, damit diejenigen, die die Entscheidung für die Optionskommune zu verantworten haben, auf die Folgen ihres Handelns hingewiesen werden.
Wie Sie wahrscheinlich wissen, haben leider mit Ausnahme unserer Fraktion alle anderen Fraktionen der Beschlussvorlage, dass Essen Optionskommune wird, zugestimmt.
Wir werden fraktionsintern beraten, ob wir Ihre Schilderungen zum Anlass nehmen, einen erneuten Vorstoß zur Rückabwicklung dieser Fehlentscheidung (aus unserer Sicht) zu unternehmen.
Gruß
Jörg Bütefür
Fraktionsgeschäftsführer /Fraktion DIE LINKE im Rat der Stadt EssenHeinz-Renner-Haus
Severinstraße 1
45127 EssenTel. 0201 – 17543313
www.linksfraktion-essen.de
Die Rückmeldung von Herrn Meyer:
Sehr geehrter Herr Bütefür,
vielen Dank für Ihre Reaktion. Sie sind der Erste, der mir geantwortet hat, dafür meinen herzlichen Dank.
Was ich an Schilderungen und an persönlichen Erlebnissen nieder geschrieben habe, ist nur die Spitze eines Eisberges. Setzen sie sich mal einen Vormittag in eines der Jobcenter auf eine Bank und hören sie einfach nur zu was dort von Betroffenen erzählt wird.
Schecks, die den Leistungsempfängern zugestellt werden, sind nicht frei geschaltet, das Jobcenter Süd soll seit 2011 keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet haben. Die Liste scheint endlos. Es muss doch ein Kontrollorgan über den Jobcentern stehen.
Man stelle sich ein Unternehmen vor, welches auf Wirtschaftlichkeit ausgerichtet ist, welches so agieren würde. Es wäre komplett mit sich selbst und mit der Aufarbeitung falsch produzierter Produkte beschäftigt. Wovon würde solch ein Unternehmen existieren? Es wäre nach 3 Monaten insolvent.
Anders die Jobcenter.
Sicherlich ist das SGB II an manchen Stellen etwas schwammig, was ein `´Ermessen´´ des Sachbearbeiters zulässt. So weit, so gut. Aber das SGB II sieht keine verloren gegangen Akten vor, keinen Antragsstau bei irgendwelchen Systemumstellungen, oder ähnliches vor.
Es ist für keinen Bürger nachvollziehbar, wie in einem Amt Akten verloren gehen können. Und wie in meinem ersten Schreiben gemutmaßt, in welchen anderen Ämtern gehen denn noch Akten verloren? Ich denke mal in keinem anderen. Warum also bei den Jobcentern?
Wer lässt solche Entschuldigungen zu?
Ich habe am 4.4.2012 einen WBA gestellt, der vom Amt am 20.4.2012 beschieden wurde. Am 28.9.2012 habe ich den darauf folgenden WBA gestellt, der bis zum heutigen Tag nicht beschieden worden ist, an meinen Lebensumständen hat sich nichts geändert. Ich bin mir auch absolut sicher, dass morgen kein Geld auf meinem Konto sein wird. Nur wann dann? Alle Lastschriften werden zurück gebucht, wer trägt diese Kosten? Den Berechtigungsschein für das Sozialticket bekomme ich auch nur dann, wenn ich den WB Bescheid in Händen halte, und bis dahin?
Mein Schicksal ist nur eines in einer scheinbar endlosen Reihe.
Es ist auch nicht absehbar, dass sich diese Zustände ändern. Wie bringt man die Jobcenter wieder zur BA? Durch eine Bürgerinitiative? Durch Unterschriften sammeln?
Alles wäre machbar. Nur es müsste bald was geschehen….
Helmut Meyer
Wir kennen die Antwort seit 2005, es gibt in der Stadt Essen nur dieses eine Amt, welches ein eigenes Such- und Fundbüro einrichten müßte. Wäre das Verschwinden lassen Methode, könnte durch verzögerte- oder Nichtbearbeitung Geld eingespart werden. Möglicherweise beschließt die Lenkungsgruppe jedes Jahr, wie viele Millionen wo – bei der KdU zum Beispiel, oder durch ungerechtfertigt verhängte Sanktion – bei den LeistungsempfängerInnen einbehalten werden können. Aber diese negative Interpretation trifft sicher nicht zu. In jedem JobCenter der Stadt Essen hat sich wahrscheinlich heimlich still und leise, ohne Wissen der Verantwortlichen, eine Quantensingularität eingeschlichen.
Wie wir alle wissen ist ein gemeinsamer Konsens mit einer SGB II-Behörde i.d.R. aussichtslos. Soll heißen, diese Behörde führt ihr Eigenleben und hat die Daseinsberechtigung beim mündigen Bürger bereits verloren. Sie tritt mehr denn je als eine Verhinderungsbehörde auf. Oftmals gehen die Ursachen mit einer gewaltigen gewollten Inkompetenz, Dilettantismus, Desorganisation, Überforderung einzelner Mitarbeiter, dem fehlenden demokratischen Verständnis oder schlicht einer bloßen Machtausübung geprägt durch niedrige Instinkte einher.
Den hohen Anforderungen aus der höchsten ständigen Rechtsprechung kann sie längst nicht mehr folgen (s. nachfolgend PDF-Datei)
Diese Rechtsprechung ist beispielhaft und als vorbildlich anzusehen. Sie wurde explizit als demokratische Grundnorm ausgesprochen, damit nach den Gräueltaten der Nazi-Behörden der Bürger wieder auf Augenhöhe s e i n e r Behörde begegnen kann.
Mit der Hartz IV-Reform (Agenda 2010) der SPD/Grüne-Koalition verschoben sich allerdings wieder die Machtverhältnisse zu Ungunsten des Bürgers. Dem Wirtschaftsdiktat unterworfen hat er gefälligst willenlos, unterwürfig und rechtlos (Abbau demokr. Rechte durch SGB II -> SGB II-Leistungsträger) zu sein. Um dieses Ziel nach und nach zu erreichen wird er notfalls schikaniert, umerzogen und fremdbestimmt. Endlich einem prekären Arbeitsheer zugeführt, hat er zu jeder Zeit seine Arbeitskraft billigst der Hartz IV- oder Wohlfahrtsindustrie anzubieten.
Diese Art von Exekutivbehörden werden mit wenig Sachverstand + Hingabe als Instrument weniger Lobbyisten ausgestattet und für den Sozial- und Demokratieabbau eingesetzt. Hierzu die CDU-Bundeskanzlerin sinngemäß: „Wir müssen den Markt an die Demokratie anpassen“ oder „Wir haben auf Ewigkeit kein Recht zur Demokratie und soziale Marktwirtschaft.“
Kurz um, wer sich würdelos zu niedrigen Löhnen verkaufen will bräuchte eigentlich kein kostspieliges Amt.
Akten gehen durchaus verloren, dazu ein Ausschnitt aus einer Mail vom JobCenter an Kunden, zitat.:
Danke für den Bericht aber das machen wir aus reiner Niedertracht.
Manchmal werden Leistungsakten einzelner Kunden unserem bösen Geist des JobCenter geopfert zum allgemeinen Gelächter der gesamten Belegschaft. Jeder darf ein Blatt anzünden und dann tanzen wir damit um die Statue von Peter Hartz und lachen ganz dreckig!
In diesem Sinne…who cares…
LG aus dem JC