Die in der Öffentlichkeit als zusätzlich dargestellten Bildungs- und Teilhabeleistungen der Jobcenter sind mit Kürzungen der Regelsätze für Kinder und Jugendliche verbunden
Das Verfassungsgericht hatte im Urteil vom 9. Februar 2010 die Intransparenz der Berechnung und das Fehlen von kindesspezifischen Bildungsleistungen im Regelsatz bei Hartz-4 bemängelt. Kinder wurden als „kleine Erwachsene“ gerechnet, indem sie einen freihändig erdachten Prozentbetrag (60% oder 80%) der Erwachsenenleistung erhielten. Die Bundesregierung hat darauf reagiert und die Sätze neu erhoben. Sie verspricht „die materielle Basis für Chancengleichheit“ herzustellen und „gesellschaftliche Exklusionprozesse“ zu beenden. Dafür wurden 2011 eine neue Vorschrift ins SGB II aufgenommen, § 28. Kernstücke dieses Paketes sind monatlich 10 Euro, die z.B. für Vereinsbeiträge übernommen werden und Nachhilfekosten für Schüler.
Die Politik ließ die Gelegenheit der Einführung dieser Leistung nicht verstreichen, ohne medial wochenlang darüber zu diskutieren, in welcher Form diese Leistung erbracht werden soll. Die Hartz-4-Berechtigten wurden bei dieser Debatte als verantwortungslose Eltern dargestellt, die Geldleistungen nicht für ihre Kinder einsetzen würden sondern für Alkohol oder Flachbildschirme. Deswegen werden die Leistungen für Bildung und Teilhabe jetzt auch nicht in Geld sondern als Sachleistung erbracht. Dieses setzt einen zusätzlichen bürokratischen Prozess bei der Beantragung in Gang, weswegen in Essen gerade 10% der gestellten Anträge beschieden wurden. Letzteres wurde öffentlich als Beleg angeführt, dass die Eltern diese Leistung nicht abrufen würden, weil sie an Bildung für ihre Kinder kein Interesse hätten.
Ohne öffentliche Erwähnung blieb hingegen, dass diese Bildungsleistungen vorher im Regelsatz enthaltene Größen waren, die nun herausgekürzt wurden. Der Regelsatz betrug für Jugendliche unter 18 Jahren 2010 noch 287 Euro. Ab 2011 betrug er nur noch 275 Euro. Es werden jedoch weiterhin 287 Euro für Jugendliche gezahlt. Lediglich die Erhöhungen wegen des Verlustes von Geldwert (Inflation) werden beim Kinderregelsatz nicht vorgenommen. Der Regelsatz für Erwachsene stiegt von 359 über 364 auf nunmehr 374 Euro. Der Satz für Jugendliche hat sich nicht verändert. Somit kommt es bei den Kindern von Eltern im Hartz-4-Bezug ähnlich wie bei den Rentnern zu einer schleichenden Kürzung der Bezüge durch Nicht-Erhöhung.
Als Ausgleich für das fehlende Geld können Familien nun beantragen, dass z.B. Sportvereine Zahlungen vom Jobcenter erhalten oder eine Nachhilfeschule, damit die Kinder dort mitmachen dürfen. Voraussetzung ist aber immer, dass vom Jobcenter jetzt bis in dem Freizeitbereich hinein entschieden wird, wofür die Leistung erbracht wird. Bereits in der Schule und im Verein werden die Kleinen so daran gewöhnt, mit Jobcenter-Formularen zu ihren Lehrern und Übungsleitern zu gehen.
Da sich die Länder im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat damit durchsetzen konnten, dass die Kommunen die Leistung bewilligen und der Bund sie bezahlt, hat nun die Stadt Essen ein großes Interesse daran, diese Leistung an die Berechtigten zu bringen. Eine Verbesserung für Familien ist dadurch nicht in Sicht.
Rechtsanwalt Jan Häußler
Fachanwalt für Sozialrecht
45127 Essen