Brandenburg – Rot-rote Regierung muss Abbitte leisten
In Brandenburg muss laut einem Bericht der „Märkischen Allegmeinen“ die rot-rote Regierung regelrecht Abbitte leisten. Hintergrund ist eine parlamentarische Anfrage aus dem Potsdamer Landtag an die dortige Sozialministerin Diana Golze (Linke) zu zehn Jahren SGB II in Brandenburg. Das, was die Ministerin selbst im Mainstream dazu einräumen musste, ist ein ausgewiesenes Armutszeugnis für die etablierte Politik in „diesem, unseren Lande“. Man darf nicht vergessen: 2003 haben auch die Bundesländer mehrheitlich für die Einführung des SGB II gestimmt! Und im Vermittlungsausschuss vorher dafür gesorgt, dass der § 10 SGB II in seiner heutigen Form aufgenommen wurde.
Brandenburg – Nur die halbe Wahrheit
Hier nun teilweise der Artikel der Märkischen Rundschau zum Thema Brandenburg und zehn Jahre SGB II:
10 Jahre Hartz IV: Rot-Rot zieht gemischte Bilanz
Die Hartz-IV-Reform ließ auch in Brandenburg die Zahl der Erwerbstätigen steigen. Allerdings sei das Beschäftigungsplus oft mit Minijobs und Leiharbeit einhergegangen, bilanziert die Landesregierung. Linken-Arbeitsministerin Diana Golze äußert sich zurückhaltender als viele ihrer Parteikollegen.
Zehn Jahre nach dem Start der Hartz-IV-Reform auf dem Arbeitsmarkt zieht Brandenburgs rot-rote Landesregierung eine gemischte Bilanz. Das geht aus einer Antwort von Sozialministerin Diana Golze (Linke) auf eine parlamentarische Anfrage im Potsdamer Landtag hervor.
Danach nahm zwar die Anzahl der Erwerbstätigen (plus 5,6 Prozent) als auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (plus 11,5 Prozent) von 2005 bis 2013 zu. Diese Zuwächse seien aber mit einem Anstieg sogenannter „atypischer“ Beschäftigungen einhergegangen: also Mini- und Midijobs, Leih- und Teilzeitarbeit sowie befristete Beschäftigungen. „Machten diese Beschäftigungen in 2005 noch einen Anteil von 28 Prozent der Beschäftigungen aus, waren es 2013 bereits 38 Prozent.“
Auch der Zusammenhang zwischen den Arbeitsmarktreformen der damaligen rot-grünen Bundesregierung und der positiven Arbeitsmarktentwicklung sei umstritten, erklärte Golze. So sei das Arbeitsvolumen von 2005 bis 2013 in Brandenburg lediglich um 1,4 Prozent gestiegen. Der Anteil der in Vollzeit arbeitenden sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sank in Brandenburg hingegen von 84,5 Prozent im Jahr 2001 auf rund 72 Prozent im Jahr 2013.
Wenn man den Artikel ließt, stoßen einem sofort zwei Indikatoren zu 10 Jahren SGB II in Brandenburg übel auf, die das Versagen der dortigen politischen Kaste offenbaren. Zuerst ist die Tatsache zu benennen, dass in 8 Jahren der Anteil der prekären Beschäftigungsverhältnisse; im Artikel beschönigend „atypische Beschäftigung“ genannt; um 10 % gestiegen ist. Die absolute Zahl von 38% aller Beschäftigungsverhältnisse ist wahnwitzig für eine angeblich führende Industrienation wie Deutschland!
Noch dramatischer ist der Rückgang der Vollzeitbeschäftigten in Brandenburg. 12,5% Rückgang in 13 Jahren bedeuten im Durchschnitt gerechnet rund 1 % jährlich. Wie mag bei diesen Zahlen erst die Situation in Brandenburg in weiteren 10 Jahren aussehen? Das will sich wohl niemand vorstellen!
Laut dem Artikel ist von 2001 bis 2013 das Arbeitsvolumen in Brandenburg nahezu gleich geblieben. Eine Steigerung um lediglich 1,4% in 13 Jahren ist zu vernachlässigen. Wo bitte schön, ist daraus der vielbeschworene Wirtschaftsaufschwung auch in den neuen Bundesländern herzuleiten?
Ein Schelm, wer sich bei diesen Zahlen Böses denkt!
Wenigstens gibt Frau Golze ein halbwegs ehrliches Statement in Bezug auf den Zusammenhang zwischen der Einführung des SGB II und „positiven Arbeitsmarktentwicklung“ ab. Zwar ist diese Aussage noch immer wahrheitsverschleiernd (wir berichteten), aber immerhin für eine Landesozialministerin in den heutigen Zeiten durchaus anerkennenswert. Wie hätte so ein Statement wohl aus Bayern geklungen?
Brandenburg – Stichwort § 10 SGB II
Zur Erinnerung an das Verhalten des Bundesrates bei der Einführung des SGB II, hier nun ein Zitat aus dem Protokoll zu dessen 795. Sitzung vom 19.12.2003 (Punkt 501, Seite 29 von 48)
Hinsichtlich der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ist erreicht worden, dass Langzeitarbeitslosen künftig jede legale Arbeit zumutbar sein soll, unabhängig davon, ob ein tarifliches oder ortsübliches Entgelt gezahlt wird; sonst drohen Leistungskürzungen. Damit wurde die bei den Beratungen des Bundestages nachträglich eingefügte Regelung, wonach Langzeitarbeitslose nur Arbeit zum ortsüblichen Tariflohn annehmen müssen, wieder gestrichen.
Es waren also die Bundesländer, wozu auch bekanntlichermaßen Brandenburg gehört, die 2003 im Vermittlungsausschuss dafür gesorgt haben, dass die moderne Lohnsklaverei in Deutschland endgültig zementiert wurde.
„Der Schein trügt“, behaupten die Scheinheiligen in heiligem Ernst.
© Brigitte Fuchs (*1951), Schweizer Autorin, Lyrikerin, Sprachspielerin