Trittbrettfahrer – Das erste SG wird aktiv
Wie es zu erwarten war, kommen nun die ersten Trittbrettfahrer aus der Sozialgerichtsbarkeit. Nach dem Urteil des BGH zu Mietschulden von Sozialleistungsbeziehern bei unangemessen großer Wohnung (wir berichteten) schwingt sich nun anscheinend das SG Leipzig auf diesen Zug auf. Im Hinblick auf ein öffentliches Kesseltreiben auf SBG II-Leistungsberechtigte, konnte es es sich wohl nicht verkneifen, einen immerhin knapp fünf Monaten alten Beschluss in die einschlägigen Rechtsportale gelangen zu lassen.
Trittbrettfahrer – Der Beschluss des SG Leipzig
Bezeichnenderweise hat es wohlweislich keine eigene Pressemitteilung dazu veröffentlicht, sondern der Beschluss taucht nur als Beitrag in den Rechtsportalen (In diesem Fall rechtsindex.de) auf. Daher müssen wir leider daraus zitieren:
Sozialgericht Leipzig, Beschluss vom 16.10.2014 – S 19 AS 3743/14 ER
Anspruch von Hartz-IV-Beziehern auf Umzug in eine Luxuswohnung?
Zwei miteinander verheiratete Hartz-IV-Empfänger, beide im Rollstuhl, beantragten beim Jobcenter die Zustimmung zum Umzug von ihrer bisherigen 119qm großen Wohnung in eine 235,05qm große 2 1/2-Zimmer-Wohnung mit monatlichen Mietkosten von 2.939,00 € warm.
Der Sachverhalt
Die beiden Antragsteller sind verheiratet und beziehen Hartz IV. Beide Antragsteller sind Rollstuhlfahrer. Sie beantragten beim Jobcenter die Zustimmung zum Umzug von ihrer bisherigen 119qm großen Wohnung in eine 235,05qm große 2 1/2-Zimmer-Wohnung mit monatlichen Mietkosten von 2.939,00 € warm. Das Jobcenter lehnte seine Zustimmung ab.
Die Entscheidung des Sozialgerichts Leipzig (S 19 AS 3743/14 ER):
Die Ablehnung ist zu Recht ergangen. Die Wohnung sei unter Berücksichtigung der in unteren Einkommensgruppen herrschenden wohnraumbezogenen Lebensgewohnheiten nicht angemessen. Bereits die sich aus dem Exposé ergebenden Ausstattungsmerkmale der anvisierten Wohnung (bspw. Klimaanlage, Fußbodenheizung, 30qm Balkon) wiesen auf einen mindestens gehobenen Wohnstandard hin.
Auch die Wohnfläche von 235qm überschreite die für einen 2-Personenhaushalt abstrakt angemessene Wohngröße von 60qm deutlich. Auch unter Berücksichtigung der Behinderung der Antragsteller rechtfertige sich eine derart große Wohnfläche nicht. Es komme daher vorliegend nicht darauf an, ob die Werte aus der Verwaltungsrichtlinie der Stadt Leipzig zu den Kosten der Unterkunft und Heizung als Referenzmiete herangezogen werden dürften.
Gericht:
Sozialgericht Leipzig, Beschluss vom 16.10.2014 – S 19 AS 3743/14 ER
Rechtsindex – Recht & Urteile
Trittbrettfahrer – Unser Statement
Irgendwie ist es schon von Tragikomik, was hier getrieben wird. Ein Beschluss aus dem Oktober des Vorjahres gelangt ausgerechnet kurz nach der Veröffentlichung des BGH-Urteils in die Öffentlichkeit. Wer da im Hintergrund die Strippen zieht, können wir nicht feststellen, jedoch kann man mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit behaupten, dass das kein Zufall ist. Die Trittbrettfahrer lassen grüßen.
Allerdings muss man aber auch eingestehen, dass die beiden Leistungsberechtigten trotz ihrer Behinderung vielen anderen Leistungsberechtigten keinen Gefallen getan haben. Mit ihrer nicht nachzuvollziehenden Handlungsweise, ein derartiges Begehren vor ein Sozialgericht gelangen zu lassen, haben sie anscheinend aus Egoismus heraus den vielen Kritikern der SGB II-Leistungsberechtigten eine kaum zu übertreffende Steilvorlage geboten. Denn den Beschlussbegründungen ist nicht zu entnehmen, dass um einen Umzug in eine behindertengerechte Wohnung ging.
Wenn man Dummheiten macht, müssen sie wenigstens gelingen. (Quand on fait des crasses, il faut qu’elles réussissent.)
Napoleon I. (Bonaparte, 1769-1821), Kaiser d. Franzosen