Keine Zwangsbehandlung per EGV – Justitia war mal nicht blind und mundtot
Wie Norbert Herrmann von BO-Sozialberatung aufmerksam macht, hat Frau Rechtsanwältin Luisa Milazzo aus Leipzig vor dem Sozialgericht Schleswig einen Beschluss AZ S 16 AS 158/13 ER im Rahmen eines Eilverfahrens erstritten, welcher durchaus als wegweisend einzustufen ist.
In dem konkret verhandelten Fall hatte es das JobCenter Schleswig einem Leistungsberechtigten in einem Eingliederungsverwaltungsakt zur Auflage gemacht, sich zur Verbesserung seiner Erwerbsfähigkeit in eine Psychotherapie zu begeben.
Zwangsbehandlung mit Nachweispflicht
Zudem verlangte das JobCenter Schleswig im Rahmen dieses Eingliederungsverwaltungsaktes, dass der Betroffene binnen einer benannten Frist einen Nachweis über die Aufnahme der verlangten Therapie erbringen sollte.
Dieses wurde jedoch seitens des Leistungsberechtigten abgelehnt und er erhob Widerspruch dagegen. Zeitgleich erhob er dann vertreten durch Frau Rechtsanwältin Luisa Milazzo den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht Schleswig. Und beantragte damit die Wiedereinsetzung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs. Seiner Meinung nach verletzte ihn diese Zwangsbehandlung in seinem Selbstbestimmungsrecht.
Psychiatrische Zwangsbehandlung ist rechtswidrig
Zu diesem Ergebnis kam das Sozialgericht Schleswig nach der sog. summarischen Prüfung in einer eigenen Abwägungsentscheidung. Und ordnete daher die Wiedereinsetzung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren an. Das bedeutet, dass der Vollzug des Verwaltungsaktes vorläufig außer Kraft gesetzt ist. Und der Betroffene nicht mehr an die ihm auferlegten Verpflichtungen gebunden ist.
Begründung der Ablehnung der Zwangsbehandlung ist entscheidend
In seiner Beschlussbegründung führt das Sozialgericht Schleswig an, dass die zwangsweise Verordnung einer Psychotherapie einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Antragsstellers darstellt. Und somit auch unverhältnismäßig in seine Grundrechte gemäß Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG eingreift.
Zudem sah die Kammer in einer verordneten Zwangsbehandlung kein geeignetes Instrument zur Verbesserung der Erwerbsfähigkeit des Antragstellers. Darüber hinaus argumentierte das SG Schleswig, dass es für den Erfolg einer Psychotherapie von ausschlaggebender Bedeutung sei, dass sie freiwillig begonnen und weitergeführt wird. Und genau das war in dem konkreten Fall nicht gegeben. Denn der Antragssteller selbst sah keine Notwendigkeit, so eine aufzunehmen.
Konsequenzen für Essener Leistungsberechtigte
Sollte das JobCenter Essen versuchen im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung, bzw. des sie ersetzenden Eingliederungsverwaltungsakts einen Leistungsberechtigten gegen seinen Willen zu einer ärztlichen oder psychiatrischen Zwangsbehandlung zu zwingen, so wird eindringlich angeraten, dagegen vorzugehen.
Hierzu können Betroffene gerne eine der von uns angebotenen offenen Rechtsberatungen aufsuchen. Von dort aus werden die mit uns kooperierenden Fachanwälte für Sozialrecht ihnen dann helfen, zu ihrem Recht zu kommen.