Der gängigen Praxis, im Sanktionsfall die gesamte Bedarfsgemeinschaft in Sippenhaft zu nehmen, schiebt das Bundessozialgericht einen Riegel vor
Nachdem wir vor Kurzem über die drastisch gestiegene Anzahl der Sanktionen berichteten, möchten wir in diesem Zusammenhang auf ein kürzlich ergangenes BSG-Urteil, B 4 AS 67/12 R, vom 23. Mai 2013 hinweisen. Dieses Urteil schützt eine Bedarfsgemeinschaft vor Sippenhaft. Nehmen wir folgenden beispielhaften Fall an:
Wir haben eine Familie, in der alle Familienmitglieder (Mutter, Vater, Kind) Leistungen nach SGB II beziehen. Das Kind ist volljährig und noch keine 25 Jahre alt. Das Kind bekommt, wegen einer Pflichtverletzung, eine Sanktion. In diesem Fall bedeutet das, dass das Kind zu 100% sanktioniert wird (bei U25-Fälle gibt es in der Regel keine Staffelung der Sanktionen). Bei dem hier angenommenen Fall bedeutet eine Sanktion des Kindes von 100%, dass dessen Anteil an den Kosten der Unterkunft (KdU) komplett entfällt. Die Eltern müssen diesen entsprechend kompensieren, sie sind also in Sippenhaft genommen.
Die Leitsätze des eingangs erwähnten Urteils lassen sich wie folgt formulieren:
- Die gesamte familiäre Bedarfsgemeinschaft haftet nicht für das Fehlverhalten des volljährigen Kindes.
- Das SGB II sieht keine Mithaftung der Bedarfsgemeinschaft für den Fall eines zu Recht sanktionierten volljährigen Kindes vor.
Wichtig ist dieses Urteil im Prinzip für jede Bedarfsgemeinschaft für den Fall, daß einem Mitglied daraus, durch eine oder mehrere Sanktionen, der Eckregelsatz auf Null reduziert wird. Wenn dann bei diesem so Sanktionierten auch die KdU nicht mehr geleistet wird, wurde bisher die gesamten Bedarfsgemeinschaft in Sippenhaft genommen. Dies ist nun nicht mehr möglich.
Nochmal, damit die Wichtigkeit dieses Urteils und die sich daraus ergebenen Konsequenzen deutlich werden. Innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft werden normalerweise die KdU anteilig der Kopfzahl verteilt. Wenn nun einem Mitglied der Bedarfsgemeinschaft diese anteiligen Kosten der Unterkunft gestrichen werden, fehlt den anderen Mitgliedern dieser Betrag naturgemäß und sie müssten ihn durch den Einsatz ihres Eckregelsatzes auffangen. Genau das aber untersagt dieses Urteil dem JobCenter. Es muß in so einem Fall den restlichen Mitgliedern einen erhöhten anteiligen Bedarf an den Kosten der Unterkunft gewähren. Dadurch soll die Bedarfsgemeinschaft in die Lage versetzt werden, die tatsächliche Miete samt Nebenkosten weiterhin in voller Höhe zahlen zu können.
Sollte es hier in Essen Betroffene geben, so werden diese gebeten sich an eine unserer Rechtsberatungen zu wenden, damit von dort aus die mit uns kooperierenden Fachanwälte für Sozialrecht helfen können.
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