Bundessozialgericht entsorgt 1-Euro-Jobs

Nach dem Urteil des BSG vom 13.04.2011 stehen die Arbeitsgelegenheiten (1-Euro-Jobs) auf dem Prüfstand

Die JobCenter müssen die „Zusätzlichkeit“ nachweisen können. Jeder Ein-Euro-Jobber sollte mit Unterstützung eines Rechtsanwaltes überprüfen, ob ein Tariflohn nachgezahlt werden muss.

Das Urteil ist bisher noch nicht veröffentlicht, aber RA Möbius hat hierzu bereits einen Artikel verfasst:

Das Bundessozialgericht hat am 13.04.2011 zwei richtungweisende Urteile verkündet, die in der Praxis das Aus für „Arbeitsgelegenheiten bzw. so genannte 1-Euro-Jobs“ bedeuten könnten ( B 14 AS 98/10 R; B 14 AS 101/10 R). Wenn das Jobcenter nicht nachweisen kann, dass die ausgeübte Arbeitsgelegenheit (1-Euro-Job) wirklich „zusätzlich“ ist, steht dem ALG II-Empfänger gegen das Jobcenter ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch zu. Die Behörde muss dem ALG II–Empfänger dann in der Regel den üblichen Tariflohn nachzahlen. Für das Jobcenter dürfte daher die Vergabe von „1-Euro-Jobs“ zu einem teuren Bumerang und hohen finanziellen Risiko werden, da das Merkmal der Zusätzlichkeit nur auf die wenigsten Arbeitsgelegenheiten zutrifft.

Selbst von der Behörde als zusätzlich bezeichnete Arbeiten wie die Tätigkeit als „Hilfsarbeiter bei der „Aktion „Saubere Stadt“ – Aufsammeln von Müll und Unrat im Stadtgebiet, Park oder Wald“ gehört in der Regel zu den originären Aufgaben der Gemeinde, stellt also in der Praxis keine wirklich zusätzliche Arbeit dar. In einigen Städten wurden „1-Euro-Jobber“ gar rechtswidrig für Abriss- oder Bauarbeiten herangezogen. Derartige Auswüchse dürften der Vergangenheit angehören, da solche Tätigkeiten nicht mehr den Anforderungen an die Zulässigkeit einer „Arbeitsgelegenheit“ entsprechen. Die neuen Urteile sind zu begrüßen, da durch einige Arbeitsgelegenheiten den „echten“ Firmen und Handwerksbetrieben Aufträge verloren gingen und somit reguläre Arbeitsplätze gefährdet waren.

Soweit also ein ALG II–Bezieher zu einem „1-Euro-Job“ herangezogen werden soll, muss genau geprüft werden, ob diese Tätigkeit wirklich den gesetzlichen Anforderungen entspricht, der Bürger also die Arbeitsgelegenheit ohne Sanktion verweigern oder auch einen Anspruch auf tarifliche Vergütung haben kann. Eine anwaltliche Beratung ist bei derartigen Konstellationen kaum zu ersetzen. Die Kosten hierfür können in der Regel für ALG II – Empfänger über Beratungshilfe gedeckt werden. Ein Antrag auf Beratungshilfe ist beim Amtsgericht zu stellen, beim Anwalt sind bei entsprechender Bewilligung lediglich 10 € Eigenbeteiligung zu zahlen.

Maurer & Möbius – Rechtsanwälte – Markt 20, Eisenach

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7 Antworten zu Bundessozialgericht entsorgt 1-Euro-Jobs

  1. Peter Gube sagt:

    Wie ist die Rechtslage bei sogenannten EU-Jobs?
    Bei diesen Jobs besteht eine 40-Stundenarbeitswoche.
    Der Einsatz ist aber im kommunalen Bereich. Dieser
    gehört zum öffentlichen Dienst. Die festangestellten haben
    eine 32-Stundenwoche und erhalten über 14,-€ Stunden-
    lohn. Die EU-Jobber üben die gleichen Tätigkeiten aus und
    erhalten nicht einmal 4,-€ die Stunde. Dürfen dafür aber
    8 Stunden die Woche mehr arbeiten.
    Es stehen auch Abrissarbeiten, Strassen kehren, Gullis
    reinigen usw. an. Ist dies rechtens?
    Hätte gerne eine Antwort über mail.

  2. Waltraut Steuer sagt:

    Lieber Herr Gube,
    da ich nichtwissen kann, wann evtl. RA Häußler Ihnen über mail antwortet, bitte ich Sie, sollten Sie von den beschriebenen Arbeitsverhältnissen selbst betroffen sein, die Rechtsberatung aufzusuchen.
    Sinnvoll ist immer, gewerkschaftlich organisiert zu sein. Die jeweils zuständigen Gewerkschaften wissen, welche Tarifverträge in den Arbeitsbereichen gelten.
    Ob eine Klage auf tarifliche Entlohnung Aussicht auf Erfolg hat.

  3. Ich höre zum ersten mal etwas von „EU-Jobs“ und auch die Google-Suche hilft mir bei diesem Begriff nicht weiter. Handelt es sich um Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit, die vom Jobcenter vergeben werden? Wenn es solche „Arbeitsgelegenheiten“ (AGH) nach § 16 d SGB II sind, dann müssen sie „zusätzlich“ sein, was nach Ihrer Schilderung auszuschließen ist. Wenn diese Zusätzlichkeit nicht gegeben ist, dann kann ein Anspruch auf tarifliche Vergütung bestehen. So hat es das BSG am 13.04.11 entschieden. Da die schriftliche Urteilsbegründung noch nicht bekannt ist, kann ich jedoch nichts genaueres sagen, ob außer dem Fehlen der „Zusätzlichkeit“ weitere Merkmale vorliegen müssen, um einen tariflichen Entlohnungsanspruch zu haben.

  4. „Am 28.09.2010 unterbreitete der Fallmanager Steven Wings (Name geändert) dem ersten Vorsitzenden des Vereins aufRECHT e.V. im Beisein seines Beistandes den Vorschlag für einen 1-€-Job als „Hilfsarbeiter/in ohne nähere Tätigkeitsangabe“ beim Ev. Kirchenkreis Iserlohn für die Zeit vom 01.10.2010 bis zum 31.03.2010.“

    In dem Anhörungsschreiben vom 30.10.2010 wies der Vorsitzende darauf hin, dass möglicherweise durch die AGH eine sozialversicherungspflichtige Stelle ersetzt werden sollte; die eingeforderten Tätigkeiten (Gärtner-, Hausmeister-; Maler- und Lackiereraufgaben) zumindest teilweise gegen die Wettbewerbsneutralität verstießen und außerdem die benannte Aufgabe der Schneeräumung als Versicherungs-Pflichtaufgabe keineswegs als „zusätzliche Tätigkeit“ eingestuft werden könne. Kurzum, die AGH genüge den Anforderungen des SGB II nicht.
    Außerdem wurde kein aktuelles Profiling erstellt und auch Vermittlungsdefizite konnten dem 55jährigen nicht nachgewiesen werden.

    Das Jobcenter Märkischer Kreis verhängte trotz alledem am 02.11.2010 eine Sanktion in Höhe von dreimal 107,70 € mit der Begründung:

    „Zur Begründung bzw. Erklärung des Verhaltens wurde von lhnen dargelegt, dass durch die Arbeitsgelegenheit eine sozialversicherungspflichtige Arbeitsstelle wegrationalisiert werde.
    Diese Gründe konnten jedoch bei der Abwägung der persönlichen Einzelinteressen mit denen der Allgemeinheit nicht als wichtig im Sinne des § 31 Absatz I Satz 2 SGB anerkannt werden.““

    Die Dokumentation des Rechtsstreites mit vielen Infos finden Sie unter:
    http://www.beispielklagen.de/klage029.html

    Zum aktuellen Bericht des Bundesrechnungshofes 2010:
    http://www.lag-arbeit-hessen.net/fileadmin/user_upload/BRH_Pruefbericht_AGH_2010_1110.pdf

  5. „Am 28.09.2010 unterbreitete der Fallmanager Steven Wings (Name geändert) dem ersten Vorsitzenden des Vereins aufRECHT e.V. im Beisein seines Beistandes den Vorschlag für einen 1-€-Job als „Hilfsarbeiter/in ohne nähere Tätigkeitsangabe“ beim Ev. Kirchenkreis Iserlohn für die Zeit vom 01.10.2010 bis zum 31.03.2010.“

    In dem Anhörungsschreiben vom 30.10.2010 wies der Vorsitzende darauf hin, dass möglicherweise durch die AGH eine sozialversicherungspflichtige Stelle ersetzt werden sollte; die eingeforderten Tätigkeiten (Gärtner-, Hausmeister-; Maler- und Lackiereraufgaben) zumindest teilweise gegen die Wettbewerbsneutralität verstießen und außerdem die benannte Aufgabe der Schneeräumung als Versicherungs-Pflichtaufgabe keineswegs als „zusätzliche Tätigkeit“ eingestuft werden könne. Kurzum, die AGH genüge den Anforderungen des SGB II nicht.
    Außerdem wurde kein aktuelles Profiling erstellt und auch Vermittlungsdefizite konnten dem 55jährigen nicht nachgewiesen werden.

    Das Jobcenter Märkischer Kreis verhängte trotz alledem am 02.11.2010 eine Sanktion in Höhe von dreimal 107,70 € mit der Begründung:

    „Zur Begründung bzw. Erklärung des Verhaltens wurde von lhnen dargelegt, dass durch die Arbeitsgelegenheit eine sozialversicherungspflichtige Arbeitsstelle wegrationalisiert werde.
    Diese Gründe konnten jedoch bei der Abwägung der persönlichen Einzelinteressen mit denen der Allgemeinheit nicht als wichtig im Sinne des § 31 Absatz I Satz 2 SGB anerkannt werden.““

    Die Dokumentation des Rechtsstreites mit vielen Infos finden Sie unter:
    http://www.beispielklagen.de/klage029.html

    Zum aktuellen Bericht des Bundesrechnungshofes 2010:
    http://www.lag-arbeit-hessen.net/fileadmin/user_upload/BRH_Pruefbericht_AGH_2010_1110.pdf

  6. Red Snapper sagt:

    Bei der Neuen Arbeit in der Langemarkstrasse 28 werden Fahrräder von den Kurierdiensten TNT und First Mail von 1 Euro Jobbern repariert. Meiner Meinung nach ist das keine Gemeinwohlarbeit , sondern macht dass Arbeitsplätze kaputt. Die Fahrräder werden von verschiedenen Städten (Dortmund , Witten , Bochum ) abgeholt und wieder geliefert.