Ombudsstelle der ARGE Essen – Die Diskussion geht weiter

Auf Anfrage der BG45 hat sich Dietrich Schoch eingehend mit dem vorläufigen Konzept der Geschäftsführung ARGE Essen befasst.

Dietrich Schoch war bundesweit der einzige Ombudsmann einer Arge (Duisburg) – bis er aus Protest über die dortigen Zustände hinschmiss. Wir gehen davon aus, dass allen Hartz4-Berechtigten die Arbeit Herrn Schochs und die Reaktion der ARGE Duisburg bekannt geworden ist. Herr Schoch ist in den Duisburger Sozial- und Gesundheitsausschuss berufen worden und engagiert sich im „Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge“. Die BG45 bedankt sich für die folgende Stellungnahme:

Wenn ich auf das GF-Konzept eingehe, so fällt mir da insbesondere auf:

1. Aufgabenfeld
Was ist eine ungerechte Behandlung, die die Ombudsstelle verhindern soll? Die blumigen Beschreibungen (vermeintlich fehlenden Zugangs oder fehlenden Sprachrohrs sonst nicht beachtet würden) meinen die unkorrektes persönliches Verhalten der Mitarbeiter und rechtswidrige Entscheidungen oder was? Was ist eine Streitschlichtung von Fällen in verschiedensten Bereichen und ohne großen bürokratischen Aufwand? Es geht doch um den Bereich des SGB II (Hartz IV) und die Anwendung des SGB I und insbesondere des SGB X und nicht um verschiedenste Bereich, also auch andere Rechtsgebiete. Im Übrigen wird unter 7 dann doch eine Rechtsprüfung verlangt.

2. Durchführung
Das die Personen, die die Ombudsstelle sprechen wollen, erst durch das Nadelöhr des Kundenreaktionsmanagements gehen sollen, halte ich für unvertretbar. Sie müssen sich meines Erachtens direkt an die Ombudsstelle wenden können. Der ist ja nicht ein nachdieselnder Teil des Kundenreaktionsmanagements sondern hat eine Funktion außerhalb des Systems. Das hat hier der Sprecher aller Wohlfahrtsverbände sinngemäß so formuliert: Der Blick des Ombudsmannes von außen hat der ARGE gut getan. Die Worthülsen (objektive Betrachtung, Abwägung der Argumente, Erreichen einer zufrieden stellenden Lösung – für wen?) schaden zwar nicht, aber was ist eine objektive Betrachtung? Der Sachverhalt, den der Bürger vorträgt, muss erfasst, d.h. (nach-)recherchiert werden – weil das bei den ARGE-Mitarbeitern häufig nicht zutreffend gemacht wurde. Wessen Argumente werden abgewogen? In meine Sprechstunden sind Betroffene gekommen, die eine Entscheidung für falsch hielten, wenn das ein Argument ist. Mit den Fallmanagern oder sonstigen Mitarbeitern habe ich das telefonisch besprochen, was in der überwiegenden Zahl der Fälle nicht möglich war, weil sie nicht ans Telefon gegangen sind. Dann gab es kein Gegenargument, sondern ich habe aufgrund des vorgebrachten Sachverhaltes einen Lösungsvorschlag gemacht (natürlich mit der Einschränkung, dass die Angaben zutreffend sind).

Wie soll die Besprechung mit dem Geschäftsführer verlaufen, in jedem einzelnen Fall? Das kann nicht dessen Aufgabe sein, sondern nur fehlerhafte Grundsatzentscheidungen oder immer wiederkehrende Fehler oder permanent persönliches Fehlverhalten von Mitarbeitern. Ansonsten muss das mit einem hinreichend juristisch versierten Mitarbeiter geschehen, der eine Stabsstellenfunktion m.E. außerhalb des Kundenreaktionsmanagements hat und seinerseits den Geschäftsführer dann einschaltet, wenn die o.a. Voraussetzungen vorliegen. Daneben sollte die Ombudsstelle die Befugnis haben, dem Geschäftsführer die Dinge vorzutragen, jedoch nicht alle offen gebliebenen Einzelfälle.

3. Abgrenzung zu anderen Beratungs-/und Beschwerdeeinrichtungen und 4. Persönliche Anforderungen
Die Ombudsstelle stellt ein zusätzliches Hilfeangebot gerade nicht nur für Kunden dar, sondern für die ARGE selbst. Keine Erläuterungen zu Bescheiden geben: Gerade deshalb kommen fast alle Betroffenen. Sie wollen den Bescheid verstehen, ihn sich erklären lassen. Das ist schon deshalb notwendig, weil aus meiner Sicht (fast) alle Ausgangsbescheide formal fehlerhaft sind, weil sie nicht die wesentlichen rechtlichen und tatsächlichen Gründe sowie Ermessensentscheidungen darlegen (wie es § 35 SGB X vorschreibt). Dann wollen sie wissen, warum das so entschieden ist. Dazu wird der Lebenssachverhalt erfragt und mit den Bescheidinhalten verglichen. Die Tätigkeit besteht darin, der ARGE die Einschätzung mitzuteilen, ob richtig entschieden wurde, nicht dem Betroffen selbst, bestenfalls, dass man da ein Frage sehe, die um deren Klärung man die ARGE bitte, dies mit dem ausdrücklichen Hinweis, dass dort entschieden werde. Auch hier, was sind rechtliche Beratungen? Die habe ich ständig gemacht dadurch, dass ich der ARGE meine Rechtsauffassung mitgeteilt habe. In 50 % der Fälle – so hat es der Duisburger GF erklärt -, seien sie dem gefolgt (wodurch offenbar viele rechtswidrige oder zumindest nicht abschließend geprüfte Dinge unkorrigiert blieben).

Wieso die Ombudskraft Erfahrungen im Sozialrecht haben muss, wenn ihr das Rechtliche versagt ist, sie die Bescheide nicht erläutern darf, erschließt sich mir nicht – in 7 wird dann aber widersprüchlich offenbar doch rechtliches Agieren verlangt. Sachkennerin mit Herz und Verstand, der aber das Agieren den vorsprechenden Petenten gegeben über verboten jedenfalls nach diesem Gliederungspunkt untersagt ist, das halte ich schlicht für Nonsens. Wozu soll sie ihre Rechtskenntnisse, den Verstand gebrauchen, das Herz dazu, Klagemauer zu sein, ohne Stellung zu nehmen? Dass die Ombudskraft „unseren Kunden/innen in ihren Anliegen unvoreingenommen und respektvoll“ gegenüber sind, stimmt natürlich, die meisten der bei mir Vorsprechenden haben beklagt, dass ihnen ein solches Verhalten seitens der ARGE-Mitarbeiter nicht zuteil geworden ist.

5. Kompetenzen/Verbindlichkeiten
Dem stimme ich uneingeschränkt zu.

6. Organisation
Dass nach jedem Beratungstag der Ombudsstelle ein Gespräch mit einem Mitglied der Geschäftsführung zu den behandelten Fällen stattfindet, halte ich für weit überzogen, siehe vorstehend 2).

7. Ablauf
Die Prüfung, ob die Verwaltung rechtlich nachvollziehbar und fair gehandelt hat – das darf aber nicht durch Bescheidprüfung geschehen (siehe 2)?

8. Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Von mir sind anfangs alle Dinge an den GF – diesmal ist das die richtige Hausnummer – weitergegeben worden. Von ihm bin ich ausdrücklich autorisiert worden. Allerdings hätte ich – wie am Anfang – nur positive Dinge sagen dürfen, keine Probleme benennen, wie ich das nach einem halben Jahr in einem (vom GF autorisierten) Gespräch gemacht habe. Wenn eine Ombudsstelle keine eigenständige Pressearbeit machen darf, wird sie in einer Weise beschränkt, die ich für unzulässig halte. Der Wehrbeauftragte (von der Funktion her Ombudsmann) macht eigene Öffentlichkeitsarbeit, der Ombudsmann im Bereich des Justizvollzugs. Für richtig hielte ich, dass die Abstimmung mit dem GF nötig sein soll, der aber nicht befugt ist, sie zu unterbinden. Sonst passiert das, was der Duisburger GF hat erreichen wollen: „Hofberichterstattung“.

9. Berichtspflicht
Unter der Einschränkung von vorstehend 8. finde ich das o.k.

10. Sozialdatenschutz
Das geht so nicht. Wenn die Ombudskraft mit der Sachbearbeitenden Stelle zusammen arbeitet, so muss die ARGE ihm Angaben machen, die ihm von dem Kunden nicht gemacht worden sind (die z.B. begründen, warum ein Bescheid aufgehoben und die erbrachte Leistung zurückgefordert wurde). Wenn lediglich die Ombudskraft mit dem Sachbearbeiter bespricht, was ihm der Kunde sagt, der ARGE-Mitarbeiter das nur zur Kenntnis nimmt, nicht sagen darf, warum das so nicht stimmt oder welches der dem Kunden und der Ombudskraft verborgene Grund der Entscheidung ist, kann selbst die eingeschränkte – im Verhältnis zur Aufgabenbeschreibung in Duisburg – Aufgabe nicht erfüllt werden. Gibt der Mitarbeiter der ARGE Auskunft, bestehen erhebliche Bedenken, ob er nicht gegen den Datenschutz verstößt. Richtig wäre es, dass jeder bei der Ombudsstelle vorsprechende Kunde eine Erklärung unterschreibt, die die Behörde von ihrer Verschwiegenheitspflicht entbindet, soweit sie das von ihm vorgetragene Anliegen betrifft.

11. Aufwandsentschädigung
Das ist o.k.

12. Genehmigung zur Einrichtung einer Ombudsstelle
Das ist o.k. – obwohl ich schon einige Erfahrungen beitragen könnte (und für ein Fachlexikon der sozialen Arbeit auch das Stichwort Ombudsmann übernehmen soll).

Mit freundlichen Grüßen
Dietrich Schoch

Lesen Sie zu der Thematik auch folgenden Artikel: Dietrich Schoch – ehemaliger Ombudsmann ARGE Duisburg

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