Wieviel Prozent bedeuten in der Realität was?
Die Frage, was hinter den Zahlen in Prozent steht, drängt sich einem unbewusst auf, wenn man die neuste Studie des Instituts für Arbeit (IAB) liest. Im Auftrag der Bertelsmannstiftung hat das IAB untersucht, wie sich ein SGB II-Leistungsbezug (Hartz IV-Bezug) der Eltern auf deren Kinder auswirkt. Zwar ist es schon als Hohn zu bezeichnen, dass ausgerechnet die Bertelsmannstiftung als Verfasserin des SGB II diese Studie veranlasst hat, jedoch bringt sie ernüchternde Zahlen auf den Tisch. Die verdeutlichen wie stark Kinderarmut in Deutschland tatsächlich verbreitet ist und was für Konsequenzen sie für die betroffenen Kinder hat.
Wir haben zwar bereits des Öfteren über das Thema Kinderarmut berichtet, jedoch kann es einfach nicht oft genug angeprangert werden. Wieviele wissenschaftlich fundierte Studien müssen denn noch veröffentlicht werden, bevor sich endlich etwas ändert?
Prozent – Die Thematik
Zur Einführung nun erst einmal ein Kurzbericht von fuldainfo.de:
Berlin. Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung zeigt, wie der Alltag von 2,6 Millionen Kindern von Verzicht und Mangel geprägt ist. Demnach machen 76 Prozent der Kinder aus einkommensarmen und von Hartz IV abhängigen Familien noch nicht einmal eine Woche Urlaub im Jahr, berichtet das Nachrichtenmagazin “Der Spiegel”. Bei Kindern, die in gesicherten Verhältnissen aufwachsen, seien es hingegen nur 21 Prozent. 54 Prozent der armutsgefährdeten Kinder können laut Studie nicht mindestens einmal im Monat ins Kino, Theater oder Konzert gehen. 31 Prozent könnten nicht einmal im Monat Freunde zum Essen einladen. Bei Antworten auf die Frage, ob sie sich ab und zu neue Kleidung kaufen könnten, sagten 29 Prozent nein. 14 Prozent haben der Studie zufolge kein Internet, zehn Prozent besitzen keine ausreichende Winterkleidung. “Die staatliche Unterstützung für arme Familien orientiert sich zu wenig an den Bedarfen der Kinder und wird ihnen deshalb oftmals nicht gerecht”, heißt es in der Studie. +++ fuldainfo
Prozent – Mehr Informationen
Hierzu hat die Bertelsmannstiftung auf Ihrer Webseite weitere Informationen veröffentlicht, die auch Daten einer zweiten Studie beinhalten, die nur kostenpflichtig zu erwerben ist. Allerdings wird auch seitens der Bertelsmannstiftung deutlich gemacht, dass Eltern im SGB II-Leistungsbezug eben nicht dem in der Öffentlichkeit weit verbreiteten Klischee der Rabeneltern entsprechen, die ihr ganzes Geld für Tabak, Alkohol, Flatscreens und Handys verprassen, sondern genauso wie andere, vorgeblich „normale“ Eltern um das Wohl ihrer Kinder besorgt sind.
Daher nun auszugsweise Zitate aus der Veröffentlichung:
In der Bundesrepublik wachsen 2,1 Millionen unter 15-Jährige in Familien auf, deren Einkommen unter der Armutsgefährdungsgrenze liegt. Eine repräsentative Befragung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verdeutlicht, was Armut für den Alltag der Kinder bedeutet: Er ist geprägt von Verzicht und einem Mangel an Teilhabe. Für eine zweite Untersuchung haben Armutsforscherinnen der Universität Frankfurt vertiefende Interviews mit Eltern und Fachkräften geführt. Demnach kann das staatliche Unterstützungssystem Armut nur unzureichend auffangen.
Unterversorgung für viele Kinder in SGB-II-Familien der Normalfall
Das IAB hat den Lebensstandard von Kindern aus SGB-II-Haushalten untersucht und mit der Situation von Kindern in gesicherten Einkommensverhältnissen verglichen. Während im Bereich der elementaren Grundversorgung nur geringe Benachteiligungen vorliegen, zeigen sich in anderen Bereichen deutlichere Unterschiede: 20 Prozent der Kinder im Grundsicherungsbezug leben aus finanziellen Gründen in beengten Wohnverhältnissen – gegenüber 3,9 Prozent der Kinder, die in gesicherten Einkommensverhältnissen aufwachsen (Übrige). Drei von vier Kinder, deren Eltern SGB-II-Leistungen erhalten, können keinen Urlaub von mindestens einer Woche machen (Übrige: 21 Prozent), 14 Prozent leben in Haushalten ohne Internet (Übrige: 1 Prozent), 38 Prozent in Haushalten ohne Auto (Übrige: 1,6 Prozent) und knapp einem Drittel ist es aus finanziellen Gründen nicht möglich, wenigstens einmal im Monat Freunde zum Essen nach Hause einzuladen (Übrige: 3,3 Prozent). Bei jedem zehnten Kind mit SGB-II-Bezug besitzen nicht alle Haushaltsmitglieder ausreichende Winterkleidung (Übrige: 0,7 Prozent).
Das Aufwachsen von Kindern in armutsgefährdeten Familien ist vielfach geprägt von einem Bündel an Problemen. Das zeigen Familieninterviews der Armutsforscherinnen Sabine Andresen und Danijela Galic (Universität Frankfurt). Zur chronischen Geldnot kommen oftmals Krankheiten, Trennung der Eltern, beengte Wohnverhältnisse und unsichere Schulwege hinzu. Erziehung bedeutet für die Eltern häufig Erklärung von Nein-Sagen und Verzicht. Eine große Belastung, denn auch bei einkommensschwachen Eltern sind die Kinder der Lebensmittelpunkt: Sie wünschen sich für ihre Kinder vor allem gute Bildung und sind bereit, dafür eigene Bedürfnisse zurückzustellen.
Ausgrenzung erzeugt Gewalt. Kultur ist eine der Einrichtungen, bei denen man das ändern kann.
Peter Sodann – deutscher Schauspieler