Augsburg – Niederlage der Stadt vor dem VG und die zögerliche Umsetzung
Die Stadt Augsburg hatte vor dem Verwaltungsgericht Augsburg eine Schlappe kassiert. Wie noch vielleicht aus der spärlichen bundesweiten Berichterstattung in Erinnerung ist, war die Stadt Augsburg beim Sozialticket einen SGB II-Leistungsberechtigte diskriminierenden Weg gegangen. Denn das Sozialticket in Augsburg galt seit seiner Einführung im Sommer 2014 nur für Leistungsberechtigte nach dem SGX XII (Grundsicherung im Alter), sowie dem Asylbewerberleistungs- und Wohngeldgesetz. Dem hatte das Verwaltungsgericht Augsburg im Oktober 2014 ein Ende gesetzt und die Stadt Augsburg dazu verdonnert, diese diskriminierende Vorgehensweise zu „überdenken“.
Augsburg – Das Urteil des VG
Hierzu hatte das Verwaltungsgericht Augsburg eine Pressemitteilung als PDF veröffentlicht, die wir anführen wollen:
Pressemitteilung vom 7. Oktober 2014
Stadt Augsburg muss erneut über Sozialticket entscheiden
Das Verwaltungsgericht Augsburg hat vier Empfängern von Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) insoweit recht gegeben, als die Stadt Augsburg nochmals darüber entscheiden muss, ob auch sie Anspruch auf das ermäßigte Sozialticket für Bus und Straßenbahn haben. Die Stadt habe zwar bei der Gewährung freiwilliger sozialer Leistungen einen weiten Spielraum, sei aber an den Gleichheitssatz des Grundgesetzes gebunden. Gleiches müsse gleich, Ungleiches ungleich behandelt werden. Das Gericht sah keine so gewichtigen Gründe, die es rechtfertigten, Empfänger von Leistungen nach dem SGB II vom Sozialticket auszunehmen, es aber Beziehern von Leistungen nach dem SGB XII, dem Wohngeldgesetz und dem Asylbewerberleistungsgesetz zu gewähren.
Gegen das Urteil ist das Rechtsmittel des Antrags auf Zulassung der Berufung zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München gegeben.
Urteil vom 7. Oktober 2014, Az. Au 3 K 14.1030, 1032, 1039 und 1040
Augsburg – Die Auswirkungen
Allerdings ist es doch etwas schleierhaft, warum das Urteil erst nach nunmehr 5 Monaten Eingang in die einschlägigen Informationsportale gefunden hat und damit einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich wurde. Denn das Verhalten der Stadt Augsburg war ein krasses Beispiel vorsätzlicher Ausgrenzung und Diskriminierung SGB II-Leistungsberechtigter. Aber leider ist da Augsburg kein Einzelfall. Deshalb kommt diesem Urteil des Verwaltungsgerichtes grundsätzliche Bedeutung zu. Denn nachwievor haben Urteile von Verwaltungsgerichten einen höheren Anerkennungswert innerhalb der Verwaltung und Gesetzgebung als Urteile von Sozialgerichten. Und werden eher umgesetzt als entsprechende Urteile der Sozialgerichtsbarkeit.
Nach hiesigem Kenntnisstand kommt aber erst jetzt die Reaktion der Stadt auf dieses Urteil. Ein neues Sozialticket soll Mitte des Jahres eingeführt werden. Hierzu zitieren wir einen Artikel der Augsburger Neuen Zeitung:
Der Augsburger Stadtrat beauftragte in der letzten Sitzung des vergangenen Jahres die Verwaltung, ein neues Konzept für ein Sozialticket zu erarbeiten, das auch die – bisher ausgeschlossenen – Hartz-IV-Empfänger (Empfänger von SGB II-Leistungen) miteinbezieht.
Gleichzeitig wurde damals als Reaktion auf ein Urteil des Augsburger Sozialgerichtes, die bisherige Gewährung eines Sozialtickets “vorerst” gestoppt. Seitdem gilt in Augsburg das Gleiche wie in den vergangenen Jahrzehnten. Sozialticket: Fehlanzeige! “Eine unendliche Geschichte”, so betitelt nun die Ausschussgemeinschaft ihr Statement zum Hin und Her des Augsburger Sozialtickets für den ÖPNV. Nachdem die CSU am 27. Januar im Sozialausschuss Beratungsbedarf angemeldet hatte, als es um das Sozialticket gehen sollte und somit die Entscheidung erneute vertagte, hat die Ausschussgemeinschaft zwei Anträge zum Sozialticket gestellt: Im ersten Antrag fordert die sechsköpfige Oppositionsgruppe, dass die Stadt mit den Stadtwerken einen Dienstleistungsvertrag abschließt, der ähnlich wie beim Theater, dem FCA oder bei dem Semesterticket eine pauschale Abgeltung der Dienstleistung des ÖPNV regelt. „Über einen solchen Dienstleistungsvertrag kann das Sozialticket zu einem günstigen Preis angeboten werden, der kostendeckend ist. Gleichzeitig fordern wir, dass der OB in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke, sowie die Stadträte im Aufsichtsrat, als Vertreter des alleinigen Gesellschafters (Stadt Augsburg) darauf hinwirken und entsprechend abstimmen, dass eine solche Dienstleistungsvereinbarung zustande kommt“, so Stadtrat Alexander Süßmair (Linke). – In dem Antrag zu den Kosten fordert die Ausschussgemeinschaft, dass ein städtisches Sozialticket nicht mehr als 20 Euro kosten dürfe. Das von uns geplante Sozialticket ist dagegen ein Solidarmodell, da die Augsburger Bürger bei der Stadtratswahl 2014 mehrheitlich so gewählt haben, dass ein Sozialticket eingeführt werden soll. Mit dieser Wahl haben Sie sich solidarisch mit den Menschen gezeigt, die ein Sozialticket in Anspruch nehmen müssen, da sie sich sonst Mobilität nicht leisten könnten.“
Nach Auffassung Süßmairs reiche es aus, dass das Sozialticket kostendeckend ist, da für die Stadtwerke durch ein Sozialticket keinerlei Mehrkosten entstehen würden, sondern vielmehr Einnahmen von zirka 90.000 Euro im Monat, wenn es bei einem Preis von 20 Euro/Monat von 25 Prozent der Sozialticketberechtigten (zirka 4.500 Personen) in Anspruch genommen werden würde. „Die Solidarität steckt hier nicht im Materiellen, sondern im Ideellen“, so Süßmair. – Die jährlichen Ticketkosten für die Stadt Augsburg in Höhe von 1.350.000 Euro, die Sozialreferent Stefan Kiefer in seiner Variante kalkuliert habe, seien nach Kalkulation der Ausschussgemeinschaft für die Stadt und die Sozialticketbezieher teurer als die Variante der Ausschussgemeinschaft.
Ein anscheinend in Deutschland mittlerweile üblicher „Schildbürgerstreich“ im Umgang mit SGB II-Leistungsberechtigten (Hartz IV-Berechtigten).
Dummheit ist auch eine natürliche Begabung.
Wilhelm Busch