Neue Wohnflächengrenzen NRW

Seit dem 12.12.09 gibt es einen Runderlass des Ministeriums für Bauen und Verkehr NRW, der Einfluss auf die „angemessene“ Wohnungsgröße nach § 22 SGB II hat, also auf Hartz-4.

Bisweilen wurde von dem Job Center Essen und den meisten Gerichtsentscheidungen eine Wohnfläche für eine Person von 45 qm angenommen und dieser mit einem Quadratmeterpreis für Essen von 4,83 Euro multipliziert, um somit zu einer angemessenen Grundmiete von 217,50 Euro zu gelangen. Diese Rechnung dürfte nun überholt sein. Denn der neue Erlass geht von 50 qm für eine Person aus und für jede weitere Person 15 qm. Als zusätzlicher Bedarf für Alleinerziehende stehen 15 qm zur Verfügung.

Somit ergibt sich ab sofort folgende neue Angemessenheitsgrenze für Essen:

Für einen 1 Personenhaushalt241,65 EUR
Für einen 2 Personenhaushalt306,90 EUR
Für einen 3 Personenhaushalt (oder 1 Alleinerziehender mit Kind)372,15 EUR
Für einen 4 Personenhaushalt (oder 1 Alleinerziehender mit 2 Kindern)437,40 EUR
Für einen 5 Personenhaushalt (oder 1 Alleinerziehender mit 3 Kindern)502,65 EUR

Für jede weitere zur Haushaltsgemeinschaft gehörende Person erhöht sich die Höchstgrenze um jeweils 43,50 EUR.

Da die Anpassung durch die Arge voraussichtlich zögerlich erfolgen wird und nur auf Nachdruck der Gerichte, empfehle ich bereits jetzt allen Betroffenen, deren Miete wegen „Unangemessenheit“ nicht voll übernommen wird, gegen aktuelle Bescheide Widerspruch einzulegen und die neuen Angemessenheitswerte vor dem Sozialgericht zu erstreiten.

Rechtsanwalt Jan Häußler

Maßgebliche Vorschrift:
Wohnraumnutzungsbestimmungen (WNB) RdErl. d. Ministeriums für Bauen und Verkehr – IV.5-619-1665/09 v. 12.12.2009
veröffentlicht im: Ministerialblatt (MBl. NRW.) Ausgabe 2010 Nr.1 Seite 1 bis 26

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184 Antworten zu Neue Wohnflächengrenzen NRW

  1. Tanja Gwiasda sagt:

    Bei Problemen mit nach Meinung der Essener Jobcenter „unangemessen teuren“ Wohnung im Rahmen einer Kostensenkungsaufforderung mit 6 Monate Frist mag diese Möglichkeit hilfreich sein.

    Sobald eine Familie einen Antrag auf eine größere Wohnung stellt, wird dieses wenn überhaupt nur genehmigt nach den alten Kriterien.

    Meine Familie dürfte keine Chance haben, mit diesen 437,40 EUR eine Wohnung bewilligt zu bekommen, denn ein Mietangebot besteht nicht solange, bis man es vor dem Sozialgericht in Duisburg durchgefochten hat, selbst ein Antrag auf EA dauert für ein bestehendes Mietangebot zu lange.

    Wir sind insoweit betroffen, dass wir als Familie mit 2 ADHS-Kids bislang in einer 60qm Wohnung leben und durch Pubertät und eben gegengeschlechtliche Geschwister an sich einen dringenden Grund für einen Umzug in eine größere Wohnung hätten.
    Erschwerend kommt noch hinzu, dass der 13jährige Sohn behindert ist und beide Kinder sich ein Minizimmer teilen müssen.

    Bin selber schon wirklich durchsetzungsstark bei den Jobcentern, aber bei unserem eigenen Sachverhalt beiße ich mir bislang vergeblich die Zähne aus.

    Viele Grüße

    Tanja Gwiasda

    Bund soziales Zentrum Deutschland e.V.
    Regionalgruppe-Essen

  2. Da sprechen Sie sicherlich ein großes Problem des Sozialgerichts bzw. des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an.

    Die Gerichte sagen regelmäßig, dass nur für ein konkretes Mietangebot eine Zusicherung (auch im Rahmen der Einstweiligen Anordnung [EA]) zugesprochen werden kann. Das heißt, dass man nicht „abstrakt“ die Frage der Angemessenheit vorab klären kann, auch wenn die Erforderlichkeit des Umzug bereits feststeht und die Angemessenheit de facto das einzige streitige Thema ist.
    Ich habe hierzu die andere Ansicht, dass ausnahmsweise eine sogenannte „isolierte Elementenfeststellungsklage“ zulässig sein kann. Mit einem diesbezüglichen Verfahren beabsichtige ich zur Zeit in der zweiten Instanz (LSG) eine Grundsatzentscheidung zu bekommen.

    Aber leider sieht man sich zur Zeit weiter mit der o.g. Rechtsprechung konfrontiert und muss die Zusicherung im einstweiligen Rechtsschutz unter Vorlage eines konkreten Mietangebots erstreiten. Das macht die Sache zeitlich sehr eng. Hierzu meine Empfehlung: Lassen Sie sofort auf dem Mietangebot durch den Vermieter notieren, wie lange die Wohnung für Sie freigehalten wird. Sagen wir, das Mietangebot gilt für drei Wochen: Dann reichen Sie den Antrag auf Zusicherung bei dem Job Center ein und setzen eine Frist zur Entscheidung von einer Woche (oder besser noch lassen es sofort per Verhandlungsniederschrift ablehnen). Nachdem diese Frist ergebnislos abgelaufen ist (oder nach erfolgter Ablehnung), stellen Sie den Antrag beim Sozialgericht. Das Gericht hat dann zwei Wochen Zeit und das muss reichen. Nach meiner Einschätzung sind alle zuständigen Richter in Duisburg in einer solchen Situaiton in der Lage, eine EA zu erlassen. Andernfalls würde das Recht auf effektiven Rechtsschutz gem. Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 6 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) hier ausgehebelt. Das sollte man dem Richter deutlich machen.

    Alternativ können Sie natürlich die Wohnung anmieten und dann (in Ruhe) das Hauptsacheverfahren betreiben. Umzugskosten, Kaution, Teile der Miete etc. müssten Sie dann jedoch zunächst vorfinanzieren und darauf hoffen, nach Jahren von den Gerichten Recht zu bekommen. Das dürfte in den wenigsten Fällen finanziell möglich sein.

  3. Svenja S. sagt:

    Die neuen Wohnflächengrenzen sind ja hier wunderbar beschrieben. Aber weiß auch einer, wie das ganze in Oberhausen aussieht? Ich weiß, dass ich hier (alleinerziehend, 2 Kinder) als 3 Personen Haushalt angesehen werden, nicht als 4 Personen Haushalt, wie es offensichtlich in Essen der Fall wäre. Zudem hab ich einen Anspruch auf eine barrierefreie Wohnung. Nur leider weiß noch nicht mal das Arbeitsamt, wie groß die Wohnung dann sein dürfte. Das soll ich doch bitte alleine rausfinden und denen Bescheid geben. Schön und gut, aber wo findet man das heraus?

  4. Die neuen Wohnflächengrenzen gelten landesweit in NRW. Alleinerziehende hatte jedoch auch schon vor dem neuen Erlass einen zusätzlichen Bedarf von 15 qm, der den Betroffenen jedoch in keiner Stadt von der Behörde „angeboten“ wird, sondern immer nur gerichtlich durchsetzbar ist.
    In Ihrem Fall wären also mindestens 95 qm angemessen. Damit liegen Sie 1/18 über dem Wert, den die SODA in Oberhausen für einen 4-Personen-Haushalt (90 qm) für angemessen erachtet.
    Der zusätzliche Bedarf bei Behinderungen ist nur individuell zu bestimmen, etwa bei rollstuhlfahrenden Schwerbehinderten weitere 15 qm.

  5. Britta sagt:

    Ich habe letzte Woche die Aufforderung zum Umzug erhalten da nach 1 1/2 Jahren aufgefallen ist, dass meine Kaltmiete um 50 € zu hoch. Auf dem Bescheid steht, dass ich als Single eine Wohnung zu 217,50 € suchen muss. Kann ich das nach dem neuen Erlass ignorieren und eine Wohnung zu 241,65 € suchen?

  6. Sie können ein Angebot über eine solche Wohnung von bis zu 241,65 Euro Grundmiete vorlegen und die Zusicherung zur Kostenübernahme beim Job Center beantragen. Wenn dieser Antrag abgelehnt wird, können Sie durch ein gerichtliches Eilverfahren versuchen, dennoch eine Zusicherung zu erhalten.

  7. Rechtshelfer sagt:

    Der RdErl. vom 12.12.2009 ist wohl kurzfristig abgeändert worden. Demnach gelten für einen 1 Personenhaushalt nur noch 47 Quadratmeter. Unfassbar!

    http://www.harald-thome.de/media/files/KdU/WFB-NRW-Rderl.-v.-28.01.2010.pdf

  8. Rechtshelfer sagt:

    Im Vergleich zu früher, nur noch 2 Quadratmeter mehr!

    Arbeitshilfe:
    Kosten der Unterkunft und Heizung
    gemäß § 22 SGB II.
    4. Auflage (Stand: 1. März 2010)

    http://www.nordrheinwestfalendirekt.de/broschuerenservice/download/70322/arbeitshilfekdu1.3..pdf

  9. Sehr interessant. Die Arbeisthilfen sprechen diesbezüglich in der Fußnote von „nicht gefestigter Rechtsprechung“ des BSG, ob die Nutzungs- oder Förderunsgbestimmungen für den Wohnbau heranzuziehen sind.

    Auch wenn also die Frage „47 oder 50 qm“ noch nicht entschieden ist, so scheint doch klar zu sein, dass die Aufforderungsschreiben, die von dem alten Wert von 45 qm ausgehen, falsch sind und damit unwirksam.

  10. van Hümmel sagt:

    Guten Tag,
    ich recherchiere derzeit zum Thema „Neue Wohnflächengrenzen“ für die Zeitung einer Joborientierugsmaßnahme, im Rahmen eines 1-Euro-Jobs und habe folgende Frage. Wie setzt sich die Angemessenheitsgrenze für einen Alleinerziehenden mit Kind zusammen? Über eine schnelle Antwort würde ich mich freuen.

  11. Ein zusätzlicher Raumbedarf, der nach der Produkttheorie auch zu einer erhöhten Angemessenheit des Mietpreises führt, besteht für Alleinerziehende mit einem Kind nach der Rechtsansicht des Bundessozialgerichts in Höhe von 15 qm.

    Dieses ergibt sich aus dem Vergleich, der am 03.03.2009 unter dem Aktenzeichen B 4 AS 17/08 R dort geschlossen wurde. Die Terminsvorschau, aus der sich die streitige Rechtsfrage ergibt, finden Sie auf der Webseite des BSG. Das anonymisierte Protokoll der Sitzung mit dem Vergleichstext schickt Ihnen das BSG auf Anfrage dort postalisch zu.

    Wenn Sie mir nach Erscheinen der Zeitung eine Ausgabe zuschicken könnten, würde ich mich freuen.

  12. Ulrike Burazin sagt:

    Guten Tag,

    meinem Bekannten (U25) wird aufgrund einer Stellungnahme des Jugendamtes der Auszug empfohlen. Dass er ausziehen darf ist auch nicht mehr strittig. Er hat auch bereits ein Wohnungsangebot für eine 51,6 m² große Wohnung mit einem Mietpreis von 217,50 EUR. Die erste Sachbearbeiterin sagte: Wohnung ist vom Mietpreis ok, die nächste sagte die Wohnung ist viel zu groß und wird auf keinen Fall genehmigt. Was ist nun richtig und wie geht mein Bekannter am Besten vor.Beim Jobcenter wird er ständig von einem zum nächsten Sachbearbeiter geschoben. Auch heute ist wieder ein Termin geplatzt, weil die Sachbearbeiterin krank ist. Neuer Termin ist nun am kommenden Montag, aber es wurde bereits mitgeteilt, dass er er heute noch zur Beantragung der Erstausstattung zum Jobcenter des Wohnortes muss und er sich einen Termin für die kommende Woche geben lassen soll. Warum soll er sich einen Termin bei einem Jobcenter geben lassen, welches erstens im Moment nicht zuständig ist und zweitens, wenn die Wohnung eh nicht bewilligt wird, steht es noch völlig offen, welches Jobcenter zuständig sein wird. Wer ist für was zuständig und wie kann man das ganze Beschleunigen? Denn der Wohnungsgeber (Allbau) ist nicht mehr lange bereit, die Wohnung frei zu halten (das Ganze dauert schon drei Wochen). Und wie schaut es mit der Wohnung an sich aus, ist diese angemessen oder nicht? Über eine Hilfe in dieser Angelegenheit würden wir uns sehr freuen. Gruß ans Forum